Der Liberale sieht jeden Menschen als gleich an Würde. Dieses kompromisslose Bekenntnis zur fundamentalen Gleichheit zeichnet ihn aus und hebt ihn vom Elitismus der Konservativen und Sozialdemokraten ab.
Bei Gleichheit klingeln für viele Liberale, insbesondere für Libertäre, gleich die Alarmglocken. Das Gleichmachen ist für sie ein Schreckensszenario: solche Gleichmacherei, also die Gleichstellung, gilt für sie als Inbegriff der autoritären Untergrabung der Freiheit des Einzelnen.
Für Sozialdemokraten und auch Sozialisten ist gerade diese Gleichstellung, zumindest bis zu einem gewissen Grade, der erhoffte Traumzustand. In einem sozial gerechten Staate gibt es keine große materielle Ungleichheit. Es wird brüderlich geteilt, ohne große Unterschiede zwischen den Menschen – so, wie G.A. Cohen es in seiner Fabel des Camping-Trips beschrieben hat. Und gerade weil alle weitgehend das Gleiche besitzen, ist die Welt gerecht und das Leben schön.
Solch eine Gleichstellung will der Liberale nun aber nicht. Und daraus wird ihm schnell ein Strick gedreht. Der Liberale sei gegen die Gleichheit aller; er stelle sich gegen die soziale Gerechtigkeit. Aber das stimmt nun gerade nicht. Der Liberale geht von der Würde jeder einzelnen Person aus. Jeder Mensch besitzt qua Mensch eine ihm eigene Würde. In dieser Würde gibt es keinen Unterschied. Die Milliardärin besitzt sie genauso wie sie der Obdachlose innehat; der Reiche wie der Arme; die Schöne wie die Hässliche; die Schlaue wie die Dumme; der Professor wie die Studentin. Die Würde jedes Einzelnen ist der Ort der Gleichheit für den Liberalen. Diese Würde ist unverrückbar; sie ist Kern seines Weltbildes und sie kennt keine Abstufungen.
Weil jede Person ihre Würde hat, muss die Gesellschaft für den Liberalen so gestaltet sein, diese stets zu achten. Jeder Mensch ist anders. Wir sind Individuen. Aber doch sind alle für den Liberalen von gleicher Würde: was das anbelangt, gibt es keine Unterschiede zwischen dem Bundeskanzler und dem Bauarbeiter, der Staatssekretärin und der Sozialarbeiterin.
Und gerade weil jeder Mensch die gleiche Würde besitzt, steht der Liberale in heftiger Opposition zum elitären Denken, welches sowohl Sozialdemokraten (und Sozialisten) als auch Konservative prägt. Diese beiden Gruppen sehen eine große Rolle für die Eliten, welche mit ihrer (angeblich) überlegenen Moralität und ihrem (angeblich) überlegenen Wissen die Menschen durch den Staat zu ihrem Glück zwingen sollen. Sei es, weil die Eliten vermittels des Staates die Menschen zum Klimaschutz bewegen und vor der “großen Klimakatastrophe” bewahren, wie es Robert Habeck mit seinem unpopulären Heizungsverbot forciert; sei es, weil die Eliten über Umverteilung das Land sozial gerechter machen, was die Menschen ohne den staatlichen Eingriff nicht geschafft hätten; sei es, weil die Wirtschaftsplaner in der EZB die Volkswirtschaften vor bösen Konjunkturzyklen schützen müssen; sei es, weil Berliner Bürokraten mit ihrer Weisheit den Wohnungsmarkt regulieren; oder weil bayrische Politiker vermittels des Staates die wichtigen Traditionen, wie sonntags einen Ruhetag einzulegen, aufrechterhalten. Die Essenz dahinter ist notwendigerweise die, dass es entscheidende Unterschiede zwischen den Menschen gibt, deretwegen manche über anderen stehen und die diese Eliten berechtigen, den gemeinen Bürgern zum richtigen Handeln zu verhelfen. Anders gesagt, es gibt manche, die schlau sind und das Gute erkennen und manche, die das nicht vermögen. Und jene, die schlau sind und das Gute erkennen, sind dazu angehalten und auch legitimiert, ihre Weisheit mit den anderen zu teilen – um nicht zu sagen, ihnen ihre Weisheit aufzuzwingen. Es ist der Schluss, dass es natürliche Hierarchien gäbe, wie James Buchanan es nannte. Und wegen dieser natürlichen Hierarchien wollen die Nicht-Liberalen den mächtigen Staat, womit sie letztlich eine bestimmte Gruppen von Menschen meinen: die Elite. Weil manche Menschen über anderen stehen, sind sie es, die die gemeinen Bürger leiten müssen. Zum Klimaschutz, zum gesunden Wirtschaften, zum gerechten Preis – und letztlich zum eigenen Glück.
Hier widerspricht der Liberale. Er pocht auf die fundamentale Gleichheit der Würde jeder Person. Es mag sein, dass der eine Mensch schlauer ist als der andere. Es mag sein, dass manch eine mehr weiß als die andere. Aber nichts gibt der selbsternannten Elite das Recht, anderen ihre mutmaßliche oder – in den meisten Fällen – vermeintliche Weisheit aufzuzwingen. Denn die gleiche Würde jedes einzelnen Menschen steht an vorderster Stelle. Der Liberale ist eindeutig: niemand darf andere durch den Staat dazu zwingen, nach der Façon eines anderen glücklich zu werden.
An diesem Punkt der fundamentalen Gleichheit aller, der Rückweisung jedweden Glaubens an solch einen Elitismus – verstanden als der Glaube an die Berechtigung einer Elite, den Massen ihre Weisheit aufzuzwingen – steht der Liberale dem Konservativen wie auch dem Sozialdemokraten fundamental gegenüber. Denn für den Liberalen ist jeder Mensch fundamental gleich an Würde; es gibt keine natürlichen Hierarchien zwischen ihnen. Nichts berechtigt den einen, dem anderen seine Vorstellungen eines guten Lebens aufzuzwingen.
Der Liberale muss mit Stolz auf den Liberalismus blicken, der die Essenz der Gleichheit erfasst: die gleiche Würde jedes Menschen, deretwegen jeder sein Leben fundamental selbst gestalten darf. Für den Liberalen steht kein Mensch über dem anderen; für ihn gibt es diese natürlichen Hierarchien nicht, die eine Elite berechtigen, ihre angemaßte Weisheit anderen aufzuzwingen. Für den Liberalen ist jeder Mensch sein eigener Herr, mit gleicher Würde. Der Liberale ist der wahre Egalitäre.
1 Kommentare
Ein sehr guter Artikel, allerdings etwas repetitiv geschrieben. Fast in jedem Absatz wird noch mal das Gleiche wiederholt. Stattdessen hätte der Autor lieber noch auf den Unterschied zwischen liberaler Gleichheit an Würde und sozialistischer Gleichmacherei eingehen können. Der Sozialist glaubt, alle Menschen seien gleich, also müssen sie alle ihren unterschiedlichen Platz im „großen Ganzen“ einnehmen. Der Liberale glaubt, die Menschen seien ungleich (an Fähigkeiten, Wissen, Interessen usw.), deshalb kommt ihnen alle die gleiche Würde zu, wie der Autor es nennt, und sie alle können gleichermaßen ihre je verschiedenen Fähigkeiten, Wissen, Interessen etc. auf dem Markt ausspielen.