Wider die Schrumpfku(ltu)r von Ökonominnen

von Vincent Czyrnik

Die Energieökonomin Claudia Kemfert vom DIW Berlin ist auf Abwegen. Sie meint, wir sollten uns weniger auf Wirtschaftswachstum fokussieren – nur so könnten wir unsere umweltpolitischen Ziele erreichen. Doch Kemferts Vorstellung ist ein Irrweg, weil ohne Wirtschaftswachstum die Menschen und auch die Umwelt leiden werden. 

Die Wirtschaft ist ein Lebewesen. Sie muss ernährt werden, gepflegt werden – sie muss wachsen. Sie gibt den Menschen Lohn und Brot, und sie sollte dem Ökosystem nicht mehr nehmen, als dass sie ihm gibt.

Wenn die Wirtschaft wächst, dann weil wir produktiver werden: Die Maschinen bringen der Bäuerin mehr Ertrag bei der Ernte; und mithilfe von Medikamenten kann der Arzt schneller seine Patienten behandeln. Produktivität schafft Wohlstand und Gesundheit. 

Die Energieökonomin Prof. Dr. Klaudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft scheint da anderer Meinung zu sein. Sie schreibt: Wir sollten „[z]entrale Bereiche wie Gesundheitswesen, Sozialhilfe oder Bildungseinrichtungen so umgestalten, dass sie auch unabhängig vom Wirtschaftswachstum funktionieren“. 

Das System soll am Laufen gehalten werden, ohne dass es gefüttert wird. Das wird eine Weile gut gehen, aber irgendwann kommt der Hunger – der Hunger nach Geld, der die Löhne der Lehrerinnen, der Krankenpfleger und Erzieherinnen bezahlt. Und unser Geld und Wohlstand kommt nicht von allein, sondern vom Wirtschaftswachstum. Wachstum ist nicht der Dieselmotor, der durch den E-Motor ersetzt werden sollte. Stattdessen ist es die Energie, die beiden Motoren versorgt, und die in der Zukunft bitte nachhaltig ist. 

Doch Frau Kemfert meint zurecht, dass „selbst wenn wir aber alle planetaren Grenzen einhalten“, wir nicht „wie bisher wachsen können“. Das Problem: Wenn wir weniger wachsen, werden wir auch weniger Geld für „Gesundheitswesen, Sozialhilfe oder Bildungseinrichtungen“ zur Verfügung haben. Alte und kranke Menschen bekommen weniger Unterstützung und Kinder werden in den Schulen vernachlässigt. Es wird soziale Unruhen geben, zugunsten unseres Ökosystems. Wir stehen also vor einem Dilemma: Entweder wir helfen den Menschen oder wir retten die Umwelt. 

Wirtschaftswachstum muss nicht schmutzig sein. Und es entsteht auch nicht dadurch, „wenn mir der Nachbarssohn beim Ballspiel die Fensterscheibe kaputtschießt“ (Kemfert), das wissen wir schon seit der Parabel vom zerbrochenen Fenster von Frédéric Bastiat. Wirtschaftswachstum muss nachhaltig sein. Wenn wir produktiver werden, können wir mit weniger Ressourcen unser Leben gestalten. Zum Beispiel fahren wir in Zukunft ohne Diesel oder Benzin von A nach B. Und am besten verwenden wir mit erneuerbaren Energien oder durch Recycling dafür jene Ressourcen, die wir sowieso schon haben. 

Ob recycelt wird oder nicht, liegt aber an den Unternehmen beziehungsweise daran, ob sie dadurch produktiver werden. Sicher sind „soziales Unternehmertum, mehr Unternehmensethik, mehr Verantwortung für das große Ganze“ (Kemfert) heilvolle Ideale, aber sie helfen nicht, wenn die Produktion in den globalen Süden wandert, wo noch kräftiger CO2 in die Luft gepustet wird. Statt Ideale brauchen wir intelligente Anreize, die dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit nicht nur schön klingt, sondern für die Unternehmen Sinn ergibt – weil es für sie günstiger ist, ja weil es sie produktiver macht.

Und freilich liegt eine Barriere für diese intelligenten Anreize „in den langsamen und ineffizienten Genehmigungsverfahren“, aber auch, entgegen Frau Kemferts Aussage, an „mangelnder Technik und mangelnden Investitionen“. Es gibt aktuell nicht die Technik, um ohne Wohlfahrtsverluste unsere Wirtschaft auf Grün umzustellen. Immer wieder vergessen (nicht nur) Ökonominnen und Ökonomen die gewaltigen Transaktionskosten zur Transformation der Wirtschaft. Es ist verdammt teuer, das Stromnetz auf Grün umzustellen, auch wenn es theoretisch möglich ist. 

Was nicht bedeuten soll, dass wir es nicht versuchen sollten. Wir sollten aber aufpassen, dass uns dabei nicht das Geld für „Gesundheitswesen, Sozialhilfe oder Bildungseinrichtungen“ ausgeht. 

Ein neues Wohlfahrtmaß anstelle des BIP, wie Frau Kemfert es vorschlägt, wäre da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das BIP ist wie die Demokratie. Es ist das schlechteste aller Wohlfahrtmaße ausgenommen aller anderen. Es hat Schwächen wie zum Beispiel, dass Reparaturarbeiten für Fensterscheiben „gut“ für das BIP sind; es hat aber auch Stärken, wie die Korrelation des BIPs mit sozialen Faktoren wie Armutsbekämpfung, geringerer Kindersterblichkeit oder auch dem Bedürfnis der Menschen nach einer nachhaltigen Welt. Nur wer genug zu essen hat, kommt auf die Idee, die Welt nachhaltiger zu machen.

Die „Transformation zu einer gerechteren Welt“ kann also nur gelingen, wenn wir weiter wachsen – in Richtung Ressourceneffizienz. Zurecht bezieht Frau Kemfert Stellung gegen „Degrowth“ – der Vorstellung, die Erde sei nur mit Schrumpfen der Wirtschaft zu retten. Ein Abgesang auf das Wirtschaftswachstum wird uns auch nicht zu dem gewünschten Ziel einer nachhaltigen Welt bringen. Helfen kann nur Wachstum, damit wir mit weniger Ressourcen mehr von der Welt haben. 

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1 Kommentare

Kenan 6. Oktober 2023 - 11:49

Der Ungeist des Club of Rome läßt grüßen

6 Milliarden von uns müssen verschwinden, auf die eine oder andere Weise, sagt Dennis Meadows. Scheint aber offenbar
nicht mit sich selbst beginnen zu wollen.

https://youtu.be/4aVw5I7EJAo

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