Die Banalität der Modern Monetary Theory

von Max Molden

Was ist die einzige Grenze für eine Wirtschaft? Die Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen. Nichts anderes. Wer ist der Herr des Geldes?  Der Staat! So argumentiert die Modern Monetary Theory, die von der US-amerikanischen Ökonomin Stephanie Kelton propagiert wird. Und was folgt daraus für den Staat? Ihm können Schulden egal sein. Er kann nicht bankrottgehen. Denn er ist eben kein Privathaushalt. Für ihn gilt eben nur eines – die Grenze, die uns unsere Ressource setzen. Große Staatspakete für Soziales oder anderes sollte der Staat also nicht ablehnen aus Angst, er könne sich überschulden. Vorsicht muss er nur haben vor hoher Inflation, also Preisteuerung. Um das in Schach zu halten, gebraucht er Steuern.

Auch wenn der Staat nicht bankrottgehen kann, muss er die Ressourcen vorsichtig gebrauchen, so Kelton. Im Parlament arbeitet man an einem „moralischen Dokument“ und „muss zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Zielsetzungen wählen und Prioritäten setzen,“ erklärt sie. So wird über die Ressourcenverwendung entschieden.

Fokussieren wir uns auf das Wesentliche: Kelton hat in vielen Dingen Recht. Aber ihre Erkenntnis ist banal. Wenn man es überhaupt Erkenntnis nennen möchte.

Wechseln wir dafür den Schauplatz. Erinnern wir uns an unsere Schultage und versetzen uns auf unseren alten Schulhof. Es gibt viele Kinder, die hier rumtollen und toben. Einiges wird getauscht: Schulbrote, Schokoladen oder Kakao. Auch Dienstleistungen werden angeboten, zum Beispiel das Erledigen der Hausaufgaben. Der Schulhof ist eine kleine Wirtschaft, wobei es aber nur direkten Tausch gibt. Nun gibt es auf dem Schulhof einen, der besonders groß und stark ist. Wir wollen ihn den Schulschläger nennen. Dieser Schulschläger ist so mächtig und furchteinflößend, dass niemand ihm widerspricht. Alle tanzen nach seiner Pfeife. Die einzige Grenze, die der Schulschläger wirtschaftlich gesehen hat, sind die Ressourcen, die es auf dem Schulhof gibt. Er kann nicht mehr Kakaos ‚erhalten‘ als es Kakaos gibt. Und so weiter und so fort.

An einem Abend sieht der Schulschläger mit Mama und Papa eine Dokumentation über gutes Marketing. Ein gutes Image ist wichtig. Der Schulschläger nimmt sich das zu Herzen. Und er hat auch gleich schon eine Idee: er möchte Geld einführen auf dem Schulhof. Es soll nicht mehr so sein, dass er andere Leute mit seiner gefürchteten Rechten dazu bringen muss, ihm ihr Schulbrot zu überlassen. Nein. Gewalt ist schlecht fürs Image. Besser ist, sich mit Geld auf dem Schulhof Dienste und Güter zu kaufen.

Genau das macht unser Schulschläger. Er kreiert eine eigene Währung, deren Wert er bestimmt und die er drucken kann, wie ihm lieb ist. Er legt fest, dass jeder diese Währung akzeptieren muss. Und ab sofort kauft sich der Schulschläger mit dem Geld all die Dienste, die er haben möchte. Seine einzige Grenze ist aber weiterhin nicht das Geld. Nein, er kann so viel drucken, wie er mag. Die einzige Grenze sind weiterhin die real existierenden Ressourcen.

Beenden wir unseren Ausflug. Die Erkenntnis der Modern Monetary Theory ist banaler als banal. Wer das unbeschränkte Gewaltmonopol besitzt, kann andere dazu zwingen, ein Ding als Geld zu akzeptieren. Und wer entscheidet, was als Geld zählt, kann sich so viel davon kreieren, wie er oder sie lustig ist. Er oder sie kann nicht pleitegehen. (Es sei denn, die Untertanen revoltieren erfolgreich.)

Aber was bringt diese Erkenntnis? Nichts. Denn die Frage ist nicht, ob jemand, der andere Leute dazu zwingen kann, etwas als Geld zu akzeptieren, jemals bankrottgehen kann. Die Frage ist: wie können wir in friedlicher sozialer Kooperation zusammenleben und unseren Wohlstand mehren?

Und genau das führt uns zurück zu Keltons Erklärung, dass man im Parlament beraten müsse über ein „moralisches Dokument“. Aber was sollen die von ihr zitierten „gesellschaftlichen Zielsetzungen und Prioritäten“ überhaupt sein? Wer soll diese festlegen? (Und welcher Typ Mensch wird sie, erwartbarer Weise, festlegen?) Wie sollten die Staatsbediensteten jemals das Wissen ansammeln, um die festgelegten Ziele zu erreichen – ist das überhaupt für sie möglich? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Machthaber die proklamierten Ziele wirklich anvisieren werden?

Die Frage ist nicht: welche Rolle kann der Staat spielen? Die Frage lautet: welche Rolle sollte der Staat spielen?

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