Heilsame Korruption

von Max Molden

Korruption gilt als verwerflich. Dieses Urteil wird einhellig gefällt: egal ob links oder rechts, Kapitalist, Sozialdemokrat oder Sozialist. Kaum einer würde Korruption loben, den Bestochenen preisen oder den Bestechenden rühmen. Dennoch kann Korruption unter bestimmten Umständen hilfreich sein und eine Second-Best-Lösung darstellen.

Es ist nicht lange her, dass Korruption in den deutschen Medien Schlagzeilen warf. Einige Politiker hatten sich bei Maskendeals bereichert. Meistens ist Korruption aber nicht so offensichtlich wie in diesen Fällen, stattdessen kommt sie auf leisen Pfaden daher. Sie nimmt die Form von Job-Empfehlungen für die Tochter des Politikers an, das Kostüm einer Wahlkampf- oder anderweitigen Spende oder die Aussicht auf einen lukrativen Job in der Post-Politik-Karriere. Demgegenüber steht die Vergütung für die Bestechenden: auch hier tritt Korruption eher versteckt in Erscheinung als weithin offensichtlich zu werden. Ihre Form sind dröge Regulierungen, die Wettbewerben das Leben schwer machen, komplexe Steuersysteme, die nur von finanzstarken Unternehmen vorteilhaft genutzt werden können oder wilde Gesetze, deren Anwendung konfus und willkürlich bleiben muss.

Durch Korruption profitieren die Bestochene und der Bestechende: Sie gehen einen Handel ein, in welchem die Bestochene ihre Machtposition verwendet, um dem Bestechenden einen Vorteil zu verschaffen. Und der Bestechende revanchiert sich, indem er, meist auf verschlungenen Wegen, der Bestochenen etwas Gutes tut. Zwei konspirieren, um sich auf Kosten unbescholtener Bürger zu bereichern. Dieses Verhalten kann an und für sich nicht gut sein.

Denn Korruption – das Ausbeuten einer besonderen Machtposition – geht stets zulasten eines Dritten. Aber Korruption findet meist nicht im luftleeren Raum statt. Sie ist Teil eines Wusts an Machenschaften, die komplex und verworren sind. Und diese Machenschaften können dazu führen, dass Korruption auch für Unbeteiligte gut ist.

Korruption eine zweitbeste Lösung

Korruption ist dann nicht optimal. Sie ist nur eine zweitbeste Lösung. Es sind besondere Umstände, welche die Gesamtsituation so verschlechtern, dass Korruption dabei helfen kann, sie zu verbessern. Zwei Umstände sind dabei zentral. Auf der einen Seite die allgegenwärtige Fehlbarkeit von Politikern und Verwaltern, wenn die Wirtschaft reguliert und Gesetze verabschiedet werden. – Mit hehren Ambitionen ausgestattete Politiker möchten ein edles Ziel mit ihrer Regulierung erreichen. Ihre Regulierung führt aber zu einem völlig anderen Ergebnis, welches für alle ein katastrophales Resultat ist.

Ein Beispiel hierfür ist die Wohnungspolitik: Statt mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wird durch den Mietendeckel die Wohnungsnot nur verschärft. Strenge Regulierung behindert gleichzeitig den Bau neuer Immobilien. In einem solchen Fall könnte Korruption Wunder wirken. Der gewiefte Unternehmer könnte den Politiker mit persönlichen Zuwendungen überzeugen, den Mietendeckel zu streichen oder in seiner Wirkung zu lindern. Die Managerin könnte den Bürokraten überzeugen, auch jenen Projekten eine Zusage zu geben, die nicht den überanstrengen Vorgaben entsprechen. Korruption kann dann die Situation auf dem Wohnungsmarkt entschärfen, die durch schädliche Regulierung erzeugt wurde.

Und auf der anderen Seite können Gesetze mit dem direkten Ziel der von Fred S. McChesney beschrieben „rent extraction“ gestaltet werden: Ihr Eigeninteresse verfolgend drohen Politikerinnen mit sehr schädlicher Regulierung. So wollen sie Unternehmen zwingen, sie zu bestechen, damit sie die Regulierung zurücknehmen oder anpassen. Auch in diesem Fall verbessert die Korruption die Situation. Die kostspielige Regulierung wird abgewendet zugunsten einer weniger schädlichen Regulierung. Beispielsweise drohen einige Abgeordnete mit stärkerer Besteuerung von Unternehmensgewinnen. Durch Korruption wird diese Regelung, die Wirtschaftswachstum und den allgemeinen Wohlstand verringert hätte, verhindert.

In all diesen Fällen ist Korruption niemals optimal. Ja, sie ist bei egoistischen Akteuren in der Politik wohl sogar eine notwendige Voraussetzung für rent extraction-Maßnahmen. Aber nichtsdestotrotz kann Korruption in einem imperfekten System, so absurd es klingen mag, zum Wohl der Konsumenten und Verbraucher oder Unbeteiligten – also uns Bürgern – sein. Das Problem sind dabei aber die Unzulänglichkeiten des gesamten Systems, auf die Korruption eine Antwort ist. Ist die Politik durchsetzt von an der menschlichen Fehlbarkeit scheiternden Regulierungsfantasien und selbstsüchtigen Bereicherungsversuchen, dann kann Korruption die schlimmsten Exzesse abschwächen. Und das im Sinne der Bürger.

Ein Problem des nur schwach begrenzten Staates

Zur fairen Beurteilung von Korruption zählt aber auch die Logik des Systems, die sowohl Bestechende als auch Bestochene dazu treibt, sich an dem Spiel zu beteiligen. In dem Moment, in dem die Macht des Staates nur schwach (oder gar nicht) begrenzt ist, hat ein Politiker, der sich nicht korrumpieren lässt, schlechte Karten. Ihm wird es schwerer fallen, Unterstützung zu finden und wiedergewählt zu werden. Wie Friedrich von Hayek prognostizierte, werden in der Politik tendenziell jene Erfolg haben, die wenig moralische Bedenken verspüren, sondern gewillt sind, ihre Macht rücksichtslos zu ihrem Vorteil einzusetzen. Und auch die Managerin verspürt einen Druck, sich am Spiel zu beteiligen. Denn wenn sie nicht besticht, dann läuft sie Gefahr durch schädliche Regulierung aus dem Markt gedrängt zu werden.

Korruption wird in der gesamten Gesellschaft abgelehnt. Vorteilsnahme und Co. gelten als unmoralisch. Das ist auch gut so. Aber unter unglücklichen Umständen kann Korruption Missstände lindern. Sie kann eine Second-Best-Lösung darstellen, durch welche auch Dritte bessergestellt werden. Um Korruption wirkungsvoll zu bekämpfen und vor allem unnötig zu machen, braucht es aber eine engere und striktere Begrenzung des Staates. Hat dieser weniger Macht und wird strenger kontrolliert, dann können Politiker und Beamte ihre Macht nicht zu Gunsten einiger weniger einsetzen. Das Ziel muss also Ursachen- und nicht Symptombekämpfung sein. Es gilt zu verhindern, dass  integre Menschen zur Korruption getrieben werden. Dafür muss staatliche Macht strenger begrenzt werden. Bis dahin sollte Korruption mit einem zwiespältigen Blick betrachtet werden.

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1 Kommentare

Thomas Leske 6. Juni 2021 - 18:52

Ein weiteres, sehr unschönes Mittel zur Begrenzung des Staates sind Sabotageakte: https://parabellum.minimalstaat.de/content/sabotage-von-windkraftanlagen

Idealerweise sollte die öffentliche Meinung den Staat einhegen, so wie Ludwig von Mises sich das vorgestellt hat. Leider wird diese gezielt manipuliert, unter anderem von staatlich geförderten Nicht-Regierungsorganisationen. Wähler neigen ohnehin schon zu Vorurteilen gegen die Marktwirtschaft (siehe Bryan Caplans „The Myth Of The Rational Voter“).

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