Carl Menger zum 100. Todestag

von Max Molden

Vor 100 Jahren starb der große österreichische Ökonom Carl Menger im gerade begonnen 82. Lebensjahr in Wien. Menger führte wie auch Léon Walras und William Stanley Jevons die subjektive Wertlehre in die Ökonomik ein und begründete die Österreichische Schule der Nationalökonomie. Eine gute Gelegenheit, einen Blick auf sein Wirken zu werfen.

Carl Menger war 1840 in Galizien in eine Beamten- und Offiziersfamilie hineingeboren worden. Wie seine Brüder Anton und Max zog es ihn bald – über Prag – in das Herz der damaligen Donau-Monarchie, nach Wien. Dort arbeitete Menger zunächst als Journalist, stieg aber nach seiner ersten großen Publikation, den Grundsätzen der Volkswirtschafslehre, zum Universitäts-Professor auf. Menger fungierte zudem zeitweise als Lehrer des Kronprinzen Rudolf.

Wieso ist Wasser so günstig, während Diamanten so teuer sind, obwohl doch Wasser viel nützlicher ist als ein Edelstein? Diese Frage trieb die Ökonomen lange Zeit um. Die objektive Wertlehre konnte keine zufriedenstellende Antwort liefern. So ist Karl Marx‘ Behauptung, entscheidend für den Wert eines Gutes sei die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, wenig erhellend. Und so war es Adam Smith, John Stuart Mill, Karl Marx und Co. nicht möglich, eine aufschlussreiche Antwort auf das Wasser-Diamanten-Paradoxon zu geben.

An diesem Punkt beginnt die Geschichte Carl Mengers des Ökonomen. Menger nahm eine durch und durch subjektive Perspektive ein: der Wert lasse sich nicht objektiv durch die Arbeitszeit bestimmen, sondern sei ein subjektives Phänomen, erklärte Menger. Wert gebe es nur für das handelnde Individuum; es ist nicht dem Gut inhärent! Menger, Jevons und Walras waren wohl nicht die ersten, die diese Perspektive einnahmen – insbesondere Gossen sollte genannt werden. Aber ihre klar und strukturiert vorgetragenen Argumente entfalteten große Wirkung und initiierten so die subjektive Revolution in der Ökonomik.

Die Antwort Mengers auf das Wasser-Diamanten-Paradoxon war also die subjektive Wertlehre. Der Wert eines Diamanten ist nicht in ihm drin, sondern existiert nur im Individuum, das den Diamanten kaufen möchte. Wert ist subjektiv! Und der genaue Wert hängt vom Grenznutzen (ein Begriff, den Mengers Schüler Friedrich von Wieser später einführte) ab, den das Individuum mit dem Gut befriedigen kann. Das heißt, der Wert eines Gutes für ein Individuum ist gleich jenem Bedürfnis, das er mit dem Gut bzw. den ihm zur Verfügung stehenden Gütereinheiten gerade noch befriedigen kann. Die Bedeutung des gesamten Gutes für das Individuum ist nicht relevant, also zählt nicht, wie wichtig Wasser für jeden Einzelnen im Gesamten ist. Was zählt ist, welche Bedürfnisse mit dem vorhandenen Teilangebot des Gutes noch gedeckt werden können; dies bestimmt den Preis.

Durch sein üblicherweise hohes Angebot kann Wasser für selbst die niedrigsten Bedürfnisse, wie zum Beispiel ein Plantschbecken im Garten, verwendet werden und hat deshalb einen sehr niedrigen Grenznutzen. Anders als Diamanten, die sehr selten sind. Daher ist der Preis für Wasser üblicherweise so niedrig, der für Diamanten so hoch. Anders wäre, es wenn wir uns in der Wüste befänden, fernab der nächsten Oase und mit geringen Wasserreserven. Dann würden wir wohl einen Diamanten für eine Wasserschlauch eintauschen, weil eine Einheit Wasser für uns überlebenswichtig wäre – und wir deswegen bereit wären, einen Diamanten dafür herzugeben. Dann wäre der Grenznutzen einer Einheit Wassers oder des Wasserschlauchs ungleich größer als jener, den uns der Diamant beschert. Also wären wir bereit, einen Diamanten zu geben, um den Wasserschlauch zu erhalten.

Menger, Jevons und Walras konnten mit ihren Antworten der Ökonomik neues Leben einhauchen und, wenn auch eher schleichend, eine Revolution bewirken. Durch die subjektive Wertlehre und die Grenznutzentheorie waren die Ökonomen viel besser in der Lage, wichtige Phänomene präzise zu erklären. Die Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, in denen Menger seine Überlegungen präsentiert hatte, sollten dann auch ihre Gefolgschaft finden, was in dem Entstehen der sogenannten Österreichischen Schule der Nationalökonomie mündete. Friedrich von Wieser, Eugen von Böhm-Bawerk, Franz Cuhel, Richard von Strigl, Ludwig von Mises, Friedrich von Hayek, Fritz Machlup, Ludwig Lachmann, Israel Kirzner – die Namen derer, die ihre Inspiration in Mengers Werk fanden, sind Legion! Und der Einfluss Mengers war immens. Mises drückte es so aus: „It was the reading of this book that made an “economist” of me.“

Aber während Menger im Verlaufe der Jahre und Jahrzehnte mit seiner Werttheorie durchaus einige Ökonomen inspirieren konnte, blieb die zeitgenössische Rezeption des Buches hinter seinen Erwartungen zurück. Das hatte viel damit zu tun, dass viele Ökonomen der damaligen Zeit großen Wert auf „Fakten“ und „Daten“ legten, wenig auf Theorie. Das sogenannte historische Studium war en vogue. 1883 publizierte Menger daher sein zweites großes Werk, die Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften und der politischen Oekonomie insbesondere. Dieses Werk setzte sich mit der Frage auseinander, ob es eine theoretische Wissenschaft der Ökonomie geben konnte. Menger beantwortete dies mit einem emphatischen Ja! Gerade das war ja Essenz seiner Grundsätze gewesen. Man konnte gar nicht ohne Rückgriff auf Theorie historische Untersuchungen durchführen. Theorie hatte ihren zentralen Platz in der Volkswirtschaftslehre. Und Menger führte auch aus, dass eine der zentralen Fragen in den Sozialwissenschaften die folgende sei:

„Wieso vermögen dem Gemeinwohl dienende und für dessen Entwickelung höchst bedeutsame Institutionen ohne einen auf ihre Begründung gerichteten Gemeinwillen zu entstehen?“

Menger beschrieb hier, was der Österreichische Nobelpreisträger Hayek später als spontane Ordnung bezeichnete. Menger frug also, was die unintendierten Auswirkungen der Handlungen von Individuen seien. Und in einer späteren Abhandlung über Geld nahm Menger just diesen Ansatz, um evolutionär das Entstehen des Geldes zu erklären.

Die Leistungen Mengers auf rein theoretischer Ebene können kaum hoch genug eingeschätzt werden. Mit seiner Verteidigung der Stellung der Theorie in den Sozialwissenschaften und der Ökonomik, der Ausarbeitung der subjektiven Werttheorie und dem klaren Formulieren der Idee der spontanen Ordnung gehört Carl Menger zweifellos zu den bedeutendsten Ökonomen aller Zeiten – und diese Aspekte sind ja bei Weitem nicht erschöpfend. Aber was sein Vermächtnis doch vor allem auch bestimmte, waren die Ökonomen, die die Wege beschritten, die Menger aufgezeigt hatte – und die in seinem Sinne den Pfad gen Erkenntnis voranschreiten konnten. In diesem Sinne sollte auch heute unser Ziel sein, undogmatisch, aber die Erkenntnisse Mengers und derer beachtend, die nach ihm kamen, Richtung einem besseren Verständnis der sozialen Sphäre zu marschieren.

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2 Kommentare

Florian 27. Februar 2021 - 09:38

Tut mir leid aber das ist einfach nur peinlich schlecht. Carl Menger arbeitete stets auf sein auf sein soziologisches Hauptwerk hin. Einer der wichtigsten Ereignisse, der Methodenstreit der Nationalökonomie wird nur in einem Nebensatz thematisiert. Über den Marginalismus oder den Einfluss auf Kronprinz Rudolf ist ebenso nichts zu lesen. Zu seinem 100. Todestag hätte man sich mehr Mühe geben können.

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Max Molden 27. Februar 2021 - 10:35

Guten Morgen, Florian!

Danke für deine konstruktive Kritik!

Zur Erklärung: Marginalismus ist ja Grenznutzen, und das Thema wird ausführlichst im Artikel diskutiert. Um genau zu sein ist der englische Begriff „marginal utility“ eine Übersetzung des deutschen „Grenznutzen“. Seinen Einfluss auf Kronprinz Rudolf habe ich im zweiten Absatz erwähnt.

Außerdem bin ich überzeugt, dass der Methodenstreit eine wichtige historische Bedeutung besitzt. Nichtsdestotrotz ist er für Menger als Ökonomen nicht zentral. Viel wichtiger ist die Position, welche Menger dort vertreten hat und die ich auch beschrieben habe. Auch diese scheint mir aber nur eine Unterstützung für seine Grundsätze zu bilden, an deren Überarbeitung Menger ja nachweislich noch bis in seine späten Jahre gearbeitet hat.

Wir freuen uns immer mal wieder auf neue Blickwinkel und Positionen; also wenn Du einen Artikel schreiben möchtest, her damit! Wir freuen uns sehr!

Schönes Wochenende

Max

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