Selbstoptimierung: Mit Tomaten und Routine im Studienalltag zu einem glücklicheren Leben

von Rick Wendler

Selbstoptimierung liegt im Trend. Allerlei Bücher, Blogs und Vlogs versprechen geradezu fantastische Produktivitätssteigerungen. Das klingt verlockend. Vieles ist aber bloßes Clickbait. Ich habe für Euch viele solcher Tipps und Tricks ausprobiert und zeige Euch hier vier davon, die ich tatsächlich für hilfreich halte. Letztlich helfen diese Dinge nicht nur, um im Studium und im Beruf produktiver und erfolgreicher zu sein, sondern auch um die für uns alle knappe Zeit sinnvoll zu nutzen und so auch ein glücklicheres und erfüllteres Leben zu führen.

1. Gewohnheiten bewusst etablieren
Wenn ich meine Tagesabläufe bewusst strukturiere, legt das viele Kapazitäten frei, die sonst im Klein-Klein des täglichen Dahintreibens verloren gehen. Die, wie ich finde, wichtigste bewusst zu planende Gewohnheit ist eine Morgenroutine für einen guten Start in den Tag.
Bei mir sieht das zum Beispiel folgendermaßen aus: Punkt 6.00 Uhr geht das Radio mit den Nachrichten an. 6.05 Uhr stehe ich auf, trinke ein Glas Wasser und mache dann zehn Minuten Sport (Planks, Liegestütze, Situps, Yoga, was auch immer den Kreislauf in Schwung bringt). Die nächsten fünf Minuten mache ich Frühstück, dann 15 Minuten fürs Frühstücken, dann 15 Minuten frisch machen, dann fünf Minuten das Frühstücksgeschirr abwaschen. Mittlerweile ist es 7.00 Uhr und ich könnte eigentlich auch schon in die Uni gehen. Trotzdem nehme ich mir noch einmal bewusst Zeit, bevor ich richtig in den Tag starte. Ich nehme mir nämlich jeden Morgen zehn Minuten für den täglichen Schlachtplan. Ich überlege, was meine Ziele für den Tag sind, was sind die anstehenden Termine und woran muss ich nebenbei noch denken. Das hilft ungemein, tagsüber den Fokus auf die wichtigen Dinge zu legen. Dann habe ich noch 15 Minuten, um die E-Mails zu sichten und die wichtigsten gleich zu beantworten. Um 7.25 Uhr packe ich meine Tasche, ziehe Schuhe und Jacke an und verlasse 7.30 Uhr die Wohnung. 7.50 Uhr komme ich in der Uni an, fahre den Rechner hoch und Punkt 8.00 Uhr fange ich mit einem klaren Plan und freien Kopf an zu arbeiten. So habe ich jeden Morgen einen strukturierten und effizienten Start in den Tag, ohne dass ich auch nur eine Minute nachdenken muss, was ich als nächstes mache. Und das beste: zu der Zeit ist man in der Uni wenigstens eine, oft eher zwei Stunden völlig ungestört von Kollegen und Kommilitonen.

Bewusst eingesetzte Gewohnheiten können in vielerlei Hinsicht sehr hilfreich sein. Genauso sinnvoll wie eine Morgenroutine ist eine Abendroutine, die einem hilft, den Tag abzuschließen, runterzukommen und schließlich gut zu schlafen. Dazu sollte gehören, acht Stunden bevor der Wecker klingelt ins Bett zu gehen und am besten zwei Stunden vor dem Zubettgehen den Konsum von digitalen Medien und das Arbeiten einzustellen. Das erhöht die Chancen, wirklich erholsamen Schlaf zu finden und den nächsten Tag energiegeladen angehen zu können. Solche Routinen geben klare Strukturen. Dadurch wird die routinierte Zeit nicht nur effizient genutzt, es wird auch viel Zeit frei, die dann tatsächlich als Freizeit nutzbar ist.

2. Planung ist die halbe Miete
Es ist nicht nur sehr sinnvoll, sich jeden Morgen einen kurzen Plan für den Tag zu machen. Das gleiche gilt auch für längere Zeiträume: die Woche, den Monat, das Quartal, etc. Es ist auch für diese Zeiträume ungemein hilfreich, für sich selbst Ziele zu definieren. Alleine sich klar zu werden, was die persönlichen Prioritäten für das vor einem liegende Quartal sind, ist ein wertvolles Reflektieren. Es ermöglicht aber auch ein ständiges Evaluieren des Erreichten und man merkt, ob man seinen übergeordneten Zielen überhaupt näher kommt. Das ist gerade für langfristige Projekte wie eine Promotion essentiell. Denn es verhindert, von der Flut der täglich auf uns einprasselnden Dinge, die permanent unsere Aufmerksamkeit beanspruchen, überrollt zu werden. Solche Planungen lassen sich auch gut als oben beschriebene Gewohnheit etablieren. Zum Beispiel bietet es sich an, jeden Sonntag einen Plan für die kommende Woche zu machen. Dafür kann einmal alles runtergeschrieben werden, was noch aus der alten Woche an Aufgaben übrig geblieben ist. Was ist davon tatsächlich wichtig und was sollte in der kommenden Woche unbedingt erledigt und erreicht werden? Bei der wöchentlichen Planung hilft es auch, die Freizeit bewusst einzuplanen und als verbindlichen Termin anzusehen, der zumindest nicht ohne triftigen Grund abgesagt wird.

Es wird viel und gerne über Zeitmanagement geredet. Aber im Endeffekt geht es nicht darum, wie wir unsere To-Do-Liste möglichst effizient abarbeiten, sondern was überhaupt auf diese Liste kommt. Es geht also viel weniger darum, unsere Zeit zu managen, als unsere Prioritäten. Ein regelmäßiges Reflektieren darüber, was uns selbst wichtig ist und was wir erreichen wollen, ist dafür schon die halbe Miete.

3. Die Pomodoro-Technik
Die sogenannte Pomodoro-Technik soll helfen, hoch konzentriert an klaren Aufgaben arbeiten zu können. Es geht also um das Gegenteil des viel beschworenen Multi-Taskings. Der Kern der Pomodoro-Technik ist simpel: Ziel ist es, 25 Minuten am Stück ohne jede Ablenkung oder Unterbrechung an einer konkret definierten Aufgabe zu arbeiten. Sei es, ein Kapitel zu lesen, einen Absatz zu schreiben oder zu einem Thema zu recherchieren.

Der Ursprung dieser Technik war, dass jemand eine Eieruhr (in Form einer Tomate, auf italienisch: „Pomodoro“!) auf Anschlag drehte und sich bis zum Rasseln der Uhr jede Ablenkung verbot. Danach 5 Minuten Pause. Nach vier solchen Einheiten ist eine längere Pause von ca 30 Minuten fällig. Das eigentlich überraschende dabei war für mich, dass zwei solche vollständigen Zyklen am Tag, also vier Stunden hochkonzentrierte, völlig unbeeinträchtigte Arbeit, genug sind, um eine Produktivitätsexplosion auszulösen. Egal welche Ablenkung in der Zwischenzeit auftaucht (und das sind einige, wenn man es sich einmal auf diese Weise bewusst macht): So gut wie nichts lässt sich nicht wenigstens 25 Minuten aufschieben. Denn 25 Minuten sind gleichzeitig lang genug, um wirklich etwas zu schaffen und kurz genug, dass jede Minute zählt, wenn man etwas erreichen will.

Für alle, die nicht gerade eine Eieruhr mit in die Bibliothek nehmen wollen, gibt es auch unzähige Apps. Und eine App würde ich tatsächlich empfehlen. Es klingt banal, aber zu sehen, wie auf dem Timer die Zeit runter läuft, hat eine sehr disziplinierende Wirkung und man nutzt die relativ knapp bemessenen 25 Minuten tatsächlich viel intensiver.

4. Social-Media-Detox
Ein Appell für einen bewussteren Umgang mit Social Media ist mittlerweile in aller Munde. Deswegen eines vorne weg: ich glaube nicht an Social-Media-Dystopien á la The Circle und bin auch überzeugt, dass die sozialen Netzwerke große Verbesserungen in unser Leben bringen können. Mit Freunden auf verschiedenen Kontinenten in direktem Kontakt bleiben zu können oder doch wenigstens nebenbei mitzukriegen, was sich in deren Leben so abspiel, gehört zweifelsohne dazu. Aber auf der anderen Seite können Facebook, Instagram, Twitter und Co auch erhebliche Nachteile mit sich bringen, wenn man nicht verantwortungsbewusst mit ihnen umgeht.

Bei mir war es Facebook. Auch wenn ich die genaue Zeit nie erfasst habe, waren es an den meisten Tagen sicherlich dreistellige Minutenbeträge, die ich zur bloßen Prokrastination die Timeline hoch und runter scrollte und so mit dem völlig unproduktiven Konsum von Belanglosigkeiten vergeudete. Es ist aber nicht bloß die Verschwendung von Lebenszeit. Durch den Konsum von Social Media konditionieren wir unser Gehirn auch auf das möglichst schnelle und vor allem kurzwährende Erfassen von unzusammenhängenden Mini-Informationen (Überschriften, Textschnipsel und Bilder). Diese Konditionierung ist für jeden, der in seinem Studium oder Beruf darauf angewiesen ist, komplexe Gedankengänge über eine längere Zeit zu durchdenken, tatsächlich Gift. Ich habe an mir selbst bemerkt, dass meine Aufmerksamkeitsspanne erheblich nachgelassen hat und es mir schwer fiel, auch nur über mehrere Minuten hinweg ohne Unterbrechung – ohne nach dem Handy zu greifen – einen zusammenhängenden Text zu lesen. Die Social-Media-Apps sind auch unmittelbar darauf ausgelegt, suchtähnliches Verhalten hervorzurufen mit ihren leuchtend roten Buttons und dem endlos sich selbst erweiterten Newsfeed. Die Gefahren von Social-Media-Sucht sind vielschichtig und werden immer besser erforscht. Studien zeigen, dass Jugendliche heute schon im Schnitt mehr als zwei bis drei Stunden am Tag bei Facebook, Instagramm und Co online sind. Ich selbst fühlte mich gestresst, auch wenn ich teils aus bloßer Langeweile das permanente Bedürfnis hatte zu schauen, ob es irgendwo irgendeine Neuigkeit gab. Bei jeder Gelegenheit zückte ich das Smartphone, um „nur mal kurz“ nach Benachrichtigungen zu gucken, was beinahe jedes Mal in einem mehrminütigen Rumscrollen in der Timeline endete. Auf den ganzen Tag gerechnet summierte sich das ordentlich.

Ich habe mir also selbst eine Social-Media-Detox-Kur verschrieben und die tat sehr gut. Ich habe damit angefangen, mich für drei Tage überhaupt nicht bei Facebook einzuloggen (was heute wie eine Banalität erscheint, war damals für mich tatsächlich außergewöhnlich). Als ich dann das erste mal wieder reinschaute, hatte ich erwartet, allerhand verpasste Informationen aufarbeiten zu müssen (schließlich hatte ich ja vorher mitunter mehrere Stunden am Tag bei Facebook verbracht). Umso überraschter war ich, dass ich eigentlich gar nichts Relevantes verpasst hatte. Wo ich vorher minütlich befürchtete, Neuigkeiten zu verpassen, wurde das Ganze gemessen am Maßstab von Tagen zur völligen Belanglosigkeit.
Trotzdem war mir klar, dass ich nicht vollständig auf Social Media verzichten will. Ich habe also alle Apps, die automatische Benachrichtigungen schicken, vom Smartphone deinstalliert und nutze sie nur noch über den Browser. Den Browser-Tab schließe ich jedes Mal nach der Nutzung wieder, damit ich beim nächsten Mal extra einen neuen Tab aufmachen und die Adresse neu eingeben muss, was eine nützliche Hemmschwelle darstellt.

Seither nutze ich Facebook viel bewusster. Ich schaue wirklich nur ab und zu rein, um zu gucken, ob es Neuigkeiten gibt oder wenn ich wirklich mit meinen Freunden in Kontakt treten möchte. Dadurch habe ich viel mehr Zeit am Tag zur Verfügung, die ich auch sinnvoller und produktiver nutze – nicht zuletzt, weil ich die Konditionierung auf oberflächliche Informationshäppchen wieder durchbrechen konnte. Letztlich setzt ein solches Detox nicht nur während der Arbeit viele Kapazitäten frei. Auch im Feierabend wird von der freien Zeit viel zu tatsächlicher Freizeit, wenn man nicht permanent online ist.

Dieser Artikel spiegelt die Meinung des Autors, nicht der Organisation wieder. Dieser Blog bietet die Plattform für unterschiedliche liberale Ideen. Mehr zur Organisation auf: www.studentsforliberty.de

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