Warum die Reichen vom billigen Geld profitieren

von Redaktion

Der vorliegende Beitrag ist ein Ausschnitt aus unserem kürzlich erschienen Booklet Inflation Verstehen. Das Booklet ist als kostenloser Download hier frei verfügbar.

Dass Geld nicht neutral ist, liegt hauptsächlich am sogenannten Cantillon-Effekt. Namensgeber dieses Effekts ist der irische Ökonom Richard Cantillon. Beim Cantillon-Effekt handelt es sich um einen Verteilungseffekt, der bei Gelddeflation und Geldinflation durch ungleichmäßige Änderungen des Geldangebots entsteht.

Aber was genau ist eine ungleichmäßige Veränderung der Geldmenge? Damit ist jede Veränderung der Geldmenge gemeint, die nicht für jeden Wirtschaftsakteur genau gleich ist. Wenn beispielsweise Carla und jeder andere Akteur genau 100 € auf dem Konto hätten und eine Zentralbank diesen Betrag simultan verdoppelte, gäbe es eine gleichmäßige Veränderung der Geldmenge. Letztlich könnte man einfach sagen, dass sich die nominelle Geldmenge verdoppelt hat. Praktisch verläuft die
Geldmengenveränderung aber immer ungleichmäßig. Denn wenn die Geldmenge erhöht wird (also im Fall der Geldinflation), gibt es immer jemanden, der dieses Geld zuerst erhält oder zumindest zuerst verwendet. Das neu geschaffene Geld tritt immer durch einen bestimmten Akteur in die Wirtschaft ein. Und das zieht dann wiederum Verteilungseffekte nach sich. Aufgrund des Cantillon-Effekts ist Geld also niemals neutral. Sowohl kurz- als auch langfristig beeinflusst Geld unsere Wirtschaft.

Anders ausgedrückt: Wer Geld neu schaffen will, muss es irgendwo erschaffen und effektiv in die Wirtschaft einführen. Irgendjemand muss als erstes das neue Geld besitzen und damit dann tauschen. Zum Beispiel, indem Carla einen Transfer erhält, der „aus dem Nichts” von einer Bank geschaffen wurde. Dann ist Carla der Eingangspunkt des neuen Geldes in die Wirtschaft. Geldinflation beinhaltet also immer die Komponente: Wie genau wird das neue Geld geschaffen? Das ist eine
empirische Frage. Das heißt, man muss beobachten, wie genau das Geld in dieser und jener Wirtschaft seinen Weg findet.

Wir wissen jetzt, dass es bei der Schaffung neuen Geldes nahezu notwendigerweise zu einer ungleichmäßigen Veränderung des Geldangebots kommen wird, was wiederum weitere Effekte hat. Das bedeutet nun aber gleichzeitig auch, dass es Auswirkungen auf die verschiedenen Effekte und ihre Ausprägung hat, wie genau das neue Geld geschaffen wird und in die Wirtschaft eintritt. Erhält Carla das neue Geld? Bekommt es die Regierung? Oder sind es vielleicht Immobilieninvestoren, die es als erste erhalten? In der Ökonomik spricht man von den verschiedenen Kanälen, durch welche neu geschaffenes
Geld in die Wirtschaft eintritt. Der Kanal beeinflusst also, welche Effekte die Geldinflation haben wird und wie ausgeprägt sie sein werden. Das ist wichtig. Denn daraus folgt, dass eine Erhöhung der Geldmenge unterschiedliche Effekte haben wird, je nachdem, wie sie vonstattengeht. Und so lässt sich auch erklären, wieso manche Formen der Geldinflation nicht (oder zumindest nicht direkt) zu Preisinflation führen. Doch dazu später mehr.

Der Cantillon-Effekt & Einkommens- & Wohlstandsveränderungen

Die Veränderung der Geldmenge hat einen sehr wichtigen Effekt: Geldinflation und -deflation beeinflussen das Einkommen und den Wohlstand verschiedener Gruppen.

Ein klassisches Beispiel für Geldinflation ist der Herrscher, der die Geldmenge heimlich erweitert, indem er den Gold- oder Silberanteil der Münzen verringert, ohne dies bekanntzugeben. Carla lebt nun als Magd eines Bauern in einem Dorf mit einem Fürsten, der sich dafür entscheidet, 100 Goldmünzen einzuschmelzen und diese durch Zugabe von etwas Messing zu strecken. Er erhält so 120 Münzen, die er mit dem fürstlichen Siegel versehen als vollwertige Goldmünzen ausgibt (wir wollen annehmen, dies bleibe alles unbemerkt). Dem Fürsten stehen auf einmal 120 statt 100 Goldmünzen zur Verfügung. Die Geldinflation geschieht hier also über den Fürsten – er ist der Kanal der Geldinflation. Der erste Effekt ist somit die erhöhte Kaufkraft des Fürsten. Er hat 20 Goldmünzen mehr, mit denen er etwas Schönes kaufen kann. Sein Vermögen ist gestiegen. Zuerst einmal führt Geldinflation also zu mehr Kaufkraft in der Hand desjenigen, der das neue Geld erhält – und damit
kann er mehr kaufen. Und grundsätzlich kann sich auch ändern, wofür er sein Geld nun ausgibt. Damit ist gemeint, dass der Fürst nicht einfach nur proportional mehr von den Dingen kauft, die er mit 100 Goldmünzen gekauft hat; er verändert seinen gesamten Konsum. Vielleicht kauft er nur noch ausschließlich Wein und trinkt kein Bier mehr.

Nun ist entscheidend, wofür der Fürst das zusätzliche Geld ausgibt. Kauft er beim Schmied neue Schwerter für seine Krieger, dann wird der Schmied als nächster von der Geldinflation profitieren. Denn der Fürst kann ihn mit dem neuen Geld gut bezahlen, was die Preise erhöht. Und der Schmied wiederum geht mit seinem Erlös, der indirekt aus der
Geldinflation stammt, ins Wirtshaus, wo er speist. Der Wirt geht daraufhin zum Bauern Lebensmittel einkaufen, wodurch das Geld auch bei Carla ankommt, die ja beim Bauern als Magd arbeitet. Und so ist eine Kaskade an Effekten losgetreten, wobei diejenigen, die als erstes das neue Geld erhalten, am meisten profitieren. Und diejenigen, die als letztes das neue Geld erhalten, leiden am stärksten. Zwei Punkte sind hierfür entscheidend: Erstens verfügt Carla nicht wie der Fürst über
zusätzliche 20 Goldmünzen. Zweitens wird sie aber bald unter den höheren Preisen infolge der größeren Geldmenge leiden. Carla erhält das neue Geld, so nehmen wir an, erst ziemlich spät – nämlich dann, wenn sie von ihrem Bauern eine Lohnerhöhung bekommt. Und trotzdem hat sie schon zuvor höhere Preise beim Wirt bezahlen müssen. Denn dieser hat seine Preise aufgrund der stärkeren Kaufkraft des Fürsten erhöht. Dieser war ja als erster in den Besitz der größeren Geldmenge gekommen. Das sind die Verteilungseffekte bei einem „debasement of currency”.

Wenn die Geldmenge erhöht wird, dann werden manche von dem neu in die Welt gekommenen Geld profitieren. Und andere werden als Folge dessen weniger Kaufkraft zur Verfügung haben. In der Wissenschaft spricht man von den „early recipients” (die frühen Empfänger des Geldes) und von den „late recipients” (die späten Empfänger des Geldes). Dabei profitieren natürlich die „early recipients”. Wie wir im Beispiel mit dem Fürsten und Carla gesehen haben, bewirkt die Erhöhung der Geldmenge durch diesen Kanal eine Verteilung von Einkommen zum Fürsten hin sowie denjenigen, die nach ihm früh an das
frisch geschaffene Geld gelangen. Und eine Verteilung weg vom Bauern und von Carla, die ja erst ganz spät das neue Geld via einer Lohnerhöhung erhält, während sie bereits höhere Preise zahlt. Denn diese waren ja gestiegen, weil mehr Geld die gleiche Menge an Gütern gejagt hatte.

Es ist auch wichtig zu bedenken, dass diese Verteilungswirkung sich oft auf gesamte Branchen bezieht. So kann man generell sagen, dass diejenigen Branchen, die näher am Quell der Geldschöpfung liegen, stärker davon profitieren werden. Und diejenigen, die weiter weg sind, werden unter der Geldmengenveränderung leiden.

Neben der Verteilungswirkung, die „early recipients“ gegenüber „late recipients“ bevorzugt, sind noch zwei weitere Gruppen zu betrachten. Zum einen profitieren Schuldner und leiden Gläubiger unter Geldinflation, die zu Preisinflation führt. Denn wer eine bestimmte Geldsumme schuldet, der profitiert davon, dass es nun insgesamt mehr Geld gibt und die Kaufkraft des Geldes geringer wird. Der Schuldner profitiert von der Preisinflation (zumindest sofern es keine gegenläufigen Effekte gibt). Staaten halten häufig hohe Schulden und können somit als Profiteure der Geld- und dann Preisinflation gelten. Zum anderen gibt es eine Verteilungswirkung von denjenigen, die große Barbestände halten, zugunsten derjenigen, die ihr Vermögen in
Kapitalgüter investiert haben. Die vielleicht wichtigste Vermögensklasse hier sind Immobilien, aber auch Aktien sind von Bedeutung. Wenn Carla ihr Geld auf dem Sparbuch behält, um sich später ein neues Haus leisten zu können, dann leidet sie unter der Geldinflation. Das Geld verliert relativ an Wert. Hätte Carla sich aber entschieden, in ein Haus zu investieren, würde sie auf der Gewinnerseite stehen.

Wenn die Geldmenge verändert wird, sind Verteilungswirkungen unvermeidlich. Es geht nicht anders. Wegen dieser Verteilungswirkung hat die Frage, wie und natürlich auch wie stark die Geldmenge verändert wird, eine moralische Komponente. Es ist eben auch eine Frage der Gerechtigkeit, ob und wie die Geldmenge verändert wird, wenn genau das Einfluss auf das Einkommen und den Wohlstand der Bürger hat.

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