Nein, die EU sollte den Inflation Reduction Act der USA nicht nachmachen

von Ogechukwu Egwuatu

Die EU argumentiert, dass der IRA europäische Unternehmen diskriminieren und die Regeln der WTO verletzen könnte. In Reaktion darauf gibt es Forderungen, dass Europa in ähnlicher Weise seine eigenen Unternehmen fördern sollte. Ein kritischer Kommentar von Ogechukwu Egwuatu.

Seitdem der Inflation Reduction Act (IRA) im US-Senat verabschiedet wurde, herrscht in der EU Verwirrung hinsichtlich möglicher Auswirkungen. Das Gesetz betrifft Staatsschulden, die Gesundheitsversorgung und die lokale Energieproduktion. Nach dem Gesetz würden die USA in den nächsten zehn Jahren rund 369 Milliarden US-Dollar in Energie- und Klimaschutzprogramme investieren, wobei amerikanische Güter priorisiert sowie Steuervergünstigungen und Subventionen gewährt werden. Das alles dient der “green transition”.

Die EU argumentiert jedoch, dass dies europäische Unternehmen diskriminieren und die Regeln der WTO verletzen könnte. In Reaktion darauf gibt es Forderungen, dass Europa in ähnlicher Weise seine eigenen Unternehmen fördern sollte. Laut Kommissions-Präsidenten Ursula von der Leyen „muss die EU „Ausgleichsmaßnahmen“ ergreifen, um die durch die massiven amerikanischen Subventionen des Biden’schen Inflation Reduction Acts verursachten „Verzerrungen“ des Wettbewerbs auszugleichen“.

Das deutsche Wirtschaftsministerium hat eine gemeinsame Reaktion der EU gefordert, in der verschiedene Finanzierungselemente kombiniert werden sollen, um die Entwicklung von grüner Technologie zu fördern. Vor kurzem hat Frau von der Leyen angekündigt, dass die Europäische Kommission einen dem IRA der USA entsprechenden europäischen Sovereignty Fund vorschlagen würde. Eine EU-Version des IRA ist jedoch gefährlich für die fiskalische Stabilität und den Binnenmarkt der EU sowie für die Zukunft des internationalen Handels und der internationalen Zusammenarbeit.

Zweifellos ist das nicht optimal für Europa. Zunächst stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit dieses Ansatzes. Europa sind Subventionen keineswegs unbekannt. Der Block gibt jährlich rund 50 Milliarden Euro aus – mehr als 30% seines jährlichen Haushalts – für Subventionen, Hilfe und die Entwicklung des Agrarsektors. Im Jahr 2020 stieg die Staatshilfe der EU-Mitgliedstaaten auf 320,22 Milliarden Euro (mehr als doppelt so viel wie vor COVID).

Die USA hat jedoch eine dermaßen hohe Summe für ihren IRA vorgeschlagen, dass die EU viel mehr Staatshilfe als je zuvor ausgeben müsste, um ein gleiches Level zu erreichen, und sich auch neue Strategien überlegen müsste, wie sie die erforderlichen Mittel auftreiben soll. Manche Politiker haben eine gemeinsame EU-Verschuldung, die Verwendung des Europäischen Erholungsfonds und die Lockerung der Leitlinien der EU für die Staatshilfe der Mitgliedstaaten vorgeschlagen. All diese Optionen bergen ein Risiko für die Wirtschaft des Blocks.

Wenn die EU sich für gemeinsame Finanzierung entscheidet, birgt die Kombination von EU-Verschuldung und Lockerung der Kreditlinien das Risiko, dass Mitgliedstaaten in eine Schuldenfalle geraten und die monetäre und wirtschaftliche Stabilität des Blocks gefährden. Wenn die EU einen eher individuellen Ansatz verfolgt und die Leitlinien für Staatshilfe lockert, besteht das Risiko, dass der Wettbewerb innerhalb des Blocks gefährdet wird, da die Länder stark unterschiedliche Voraussetzungen für Subventionen haben und so in einem ungleichen Rennen antreten würden, was den Binnenmarkt untergräbt. Zudem birgt ein europäischer IRA das Risiko einer zu starken Abhängigkeit von Staatshilfe, die die Flexibilität und Innovationskraft im Energiesektor einschränkt und ein System von ‘Cronies’ fördert, das dem im Agrarsektor ähnelt.

Auch die Auswirkungen auf den Welthandel und die Zusammenarbeit müssen berücksichtigt werden. In den letzten Jahren haben die USA und China Handels- und Subventionskriege geführt. Die kompromisslose Haltung der USA zu diesem Gesetz bedeutet, dass die EU wahrscheinlich mit ihren Plänen für eine stärkere Finanzierung des Energiesektors fortfahren wird. Die EU, die an vorderster Front die internationale Zusammenarbeit gefördert hat, wird damit dann wahrscheinlich den Takt für den Rest der Welt vorgeben.

Andere Länder müssten entweder dem Beispiel folgen und stark ihre eigenen Industrien subventionieren, um im globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben, oder das Risiko eingehen, im Wettbewerb zu verlieren. Dies wird den heute so bedeutenden Energiesektor in ein von Lobbying und Politisierung geprägtes, kaputtes System verwandeln. Die heutigen Handelskriege haben Unsicherheit über die Zukunft von Diplomatie und Handel gelegt – jene Errungenschaften, die eine Quelle für Frieden und Wohlstand in der Welt waren und die Plündereien und Kriege ersetzt hatten.

Von einem Ende der Ära des internationalen Handels und der Zusammenarbeit zu sprechen, mag zu dramatisch und pessimistisch sein. Aber die aktuellen Entwicklungen beunruhigen. Wenn zwei der wichtigsten Führer der weltweiten Zusammenarbeit und des Handels beschließen, dies beiseite zu legen, ist dies ein Rückschritt in eine feindselige und von Konflikten geprägte Vergangenheit. Wenn wir Jahrzehnte des Friedens, des Wohlstands und des Fortschritts, die der Handel und die weltweite Zusammenarbeit gebracht haben, wegwerfen, sind wir dazu verdammt, das Chaos der vergangenen Jahrhunderte zu wiederholen.

Der Artikel erschien ursprünglich auf Englisch bei den Young Voices Europe und wird hier mit freundlicher Genehmigung in deutscher Sprache veröffentlicht (Übersetzung von Max Molden).

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