Die ethische Seite des freien Marktes 

von Timofey Dovgalev

„Kapitalismus” wird heutzutage fast immer in einem negativen Kontext verwendet. Sozialistische Sprüche zeigen ihre Wirkung: die Vorstellung, der Markt an sich sei unmoralisch, ist tief in das gesellschaftliche Bewusstsein eingedrungen. Aber stellt der Kapitalismus tatsächlich eine Antithese zu Moralität und Ethik dar? Natürlich nicht. Aber um dem nachzugehen, soll der Kapitalismus auf seine Grundlagen untersucht werden. Diese sind: Entscheidungsfreiheit, Konkurrenz und Privateigentum. 

Entscheidungsfreiheit. In einem freien Markt kann jeder selbst entscheiden, was er tut, ohne mit Gewalt dazu gedrängt zu werden. Zum Beispiel kann man selbständig entscheiden, ob man  Fastfood kauft oder nicht. Niemand hat das Recht, einem den Kauf zu verbieten oder einen zum Kauf zu zwingen. Die Entscheidungsfreiheit ist eng mit der Selbstverantwortlichkeit verbunden. Wenn man übermäßig Fastfood konsumiert, wird man später die Folgen seiner Handlung sehen. Die Verbindung zwischen der Verantwortung und der Freiheit, selbst Entscheidungen zu treffen, ist in allen möglichen Handlungen und ihren Folgen zu finden. Man kann selbst entscheiden, ob man studieren möchte oder nicht. Aber wenn man danach ohne Qualifikation keinen Arbeitsplatz finden kann, soll man sich nicht wundern. Man kann enorme Kredite aufnehmen und sie leichtsinnig im Casino „investieren“, allerdings ist man selbst dafür verantwortlich, wie man später das Geld dem Gläubiger zurückgibt. Menschen lernen aus ihren Fehlern und das ist nur möglich, wenn es Entscheidungsfreiheit gibt und Menschen selbst die Folgen ihrer eigenen Entscheidungen tragen. Indem wir mit den Konsequenzen unseres Handelns konfrontiert werden, fördert der freie Markt somit Verantwortlichkeit und rationales Handeln. 

Konkurrenz. Eine der Haupteigenschaften vom Kapitalismus ist die Konkurrenz. In einem freien Markt ist der Erfolg jedes einzelnen Unternehmens davon abhängig, wie gut er die Wünsche der Käufer befriedigen kann. Um Konkurrenten zu beseitigen und somit mehr Gewinn zu bekommen, versuchen Unternehmen bestmögliche, aber zugleich günstige, Dienstleistungen und Güter anzubieten. Deswegen werden enorme Summen in die Produktionserweiterung und in die Herstellung neuer Güter investiert. Um in einem freien Markt zu bestehen, sind Unternehmer gezwungen, ihre Firmen ständig weiterzuentwickeln. Eine Firma, die keine Innovationen anbietet, wird vom Konkurrenten, der immer wieder Neues schafft, bald abgehängt. Kreativität ist die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Güter, der Fleiß ist die Voraussetzung für die Produktionserweiterung. Nur wenn man kreativ, fleißig und einen Drang zur Weiterentwicklung besitzt, hat man Chancen, im Wettbewerb zu bestehen. Wenn man die aufgezählten Eigenschaften nicht hat, ist man zur Stagnation und zum Untergang verdammt. Der Kapitalismus fördert nicht nur die Selbstentwicklung, sondern er stellt sie als eine notwendige Bedingung zum Erfolg auf. 

Privateigentum. Ein freier Markt ist ohne private Eigentumsrechte unvorstellbar. Das Privateigentum ist die Grundlage der langfristigen Planung: Nur wenn dieses Recht geschützt ist, sind langfristige Tätigkeiten vernunftgemäß. Zum Beispiel: Für einen Investor ergibt es Sinn, in Immobilien nur dann zu investieren, wenn er auch morgen noch damit rechnen kann, dass sie ihm gehört. Was wäre, wenn das Eigentum vollständig abgeschafft würde? Solche Tätigkeiten wie Studieren, Arbeiten, Investieren und Sparen wären dann sinnlos. Es lohnt sich nicht zu sparen, wenn die Ersparnisse von einem Moment auf den anderen nicht mehr da sind. Es lohnt sich nicht zu arbeiten, wenn der Ertrag vollständig weggenommen wird. Was bliebe, wäre allenfalls der Anreiz, kurzfristig zu handeln. Demgemäß schafft erst das Privateigentum – insbesondere im Zusammenhang mit der Entscheidungsfreiheit und der sie bedingenden persönlichen Verantwortung eine langfristige Orientierung auf die Zukunft. 

Es zeigt sich, dass der freie Markt Werte wie Verantwortung, Selbstentwicklung und Weitsicht fördert. Leider wird die Frage, in welcher Beziehung Kapitalismus und Moral stehen, fast immer mit großen Vorurteilen beladen.

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