Liberty Interviews – David Boaz

von Redaktion

David Boaz ist ein US-amerikanischer Autor, Aktivist und Vizepräsident des Cato Institute in Washington D.C. Er ist ein einflussreicher Libertärer und hat zahlreiche Bücher und Artikel zu politischen Themen veröffentlicht, darunter „The Libertarian Mind: A Manifesto for Freedom“ und „Libertarianism: A Primer“. Boaz tritt auch als Kommentator in den Medien auf und setzt sich für liberale Reformen in USA ein.

Wann haben Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben den Wert von Freiheit erkannt?

Ich denke, ich habe mich schon immer instinktiv zur Freiheit hingezogen gefühlt. Ich bin in einer kleinen Stadt in Kentucky aufgewachsen, mit Eltern, die man in den USA als  “constitutional conservatives” bezeichnen würde. Ich las The Conscience of a Conservative von Senator Barry Goldwater, das in Wirklichkeit ein sehr libertäres Buch ist (mit einigen Ausnahmen). Und dann Economics in One Lesson von Henry Hazlitt, eine großartige Einführung in die freie Marktwirtschaft – oder eher einfach in die Wirtschaft. Das Lesen von New Guard, der Zeitschrift von den Young Americans for Freedom, ermöglichte es mir zu sehen, dass während einige Konservative über Freiheit sprachen, andere sich hauptsächlich mit Ordnung und Tradition beschäftigten. Hier erkannte ich, dass es die Idee der Freiheit war, die mich am meisten anzog. Und dann las ich Atlas Shrugged, und ab da war ich bereits ziemlich libertär. Dann las ich ein Buch, von dem keiner von euch je gehört hat, Return to Reason von Paul Lepanto, das mich davon überzeugte, dass wenn man an individuelle Rechte glaubt, man eben auch glauben muss, dass Steuern Diebstahl sind.

Welcher Denker hatte den größten Einfluss auf Sie?

Abgesehen von Tom G. Palmer, der mir alles beigebracht hat, was ich weiß, hatten wohl Ayn Rand und Murray Rothbard den größten Einfluss, darauf, dass ich zum radikalen Libertären wurde, mit Fokus auf limited government. Natürlich haben John Locke, Adam Smith, die Gründerväter der Vereinigten Staaten und die Ökonomen der Österreichischen Schule die intellektuelle Welt geprägt, in der sich all diese Ideen entwickelten.

Was ist Freiheit und wo liegen ihre Grenzen?

Es ist nicht einfach, Freiheit zu definieren. Leonard Read hat gemeint: „Freedom is the absence of man‐​concocted restraints against the release of creative energy.“ Hayek bezieht sich auf „einen Zustand, in dem jeder sein Wissen für seine Zwecke nutzen kann.“ Ich mag Reads Definition, aber vielleicht ist folgendes passend: Freiheit ist eine soziale und politische Ordnung, in der jedermanns individuelle Rechte geschützt sind und die Anwendung von Gewalt illegitim ist.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Freiheit in den letzten Jahrzehnten? Was ist zurzeit ihre größte Bedrohung?

Libertäre neigen dazu zu denken, dass wir alle auf dem “Weg zur Knechtschaft” sind, dass wir all unsere Freiheiten verlieren. Dabei kann man zurecht sagen, dass die Welt seit dem Aufstieg des Liberalismus im 18. Jahrhundert freier geworden ist. In den USA, die ich ambesten kenne, aber auch in vielen Teilen der Welt, sind seit dem Zweiten Weltkrieg und den 1950er Jahren viele alte Einschränkungen abgefallen. Beginnen wir mit der Niederlage von Faschismus und Nationalsozialismus. Dann folgen in den Vereinigten Staaten Fortschritte bei den Bürgerrechten, Frauenrechten und LGBT-Rechten. Menschen, die aus sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben ausgeschlossen waren, wurden freier. Wir beendeten die Wehrpflicht, deregulierten viele Branchen und reduzierten die Spitzensteuersätze. Der Supreme Court schützte die Meinungs- und die Religionsfreiheit. Um die 1980er Jahre erlebten wir den Fall des sowjetischen Kommunismus, eine Welle der Demokratie in Lateinamerika und dramatische Schritte hin zu Marktwirtschaften in den beiden größten Ländern der Welt, China und Indien. Es gibt viele Freiheitseinschränkungen in den Vereinigten Staaten und der restlichen Welt, mit denen ich unglücklich bin, aber wir sollten nicht den Blick für all diesen Fortschritt verlieren.

Ich denke, dass die kollektivistischen Linke, insbesondere Sozialismus und Kommunismus, die größte Bedrohung für die menschliche Freiheit darstellen. Sie wurde fast besiegt, aber sie ist in China zurückgekehrt, und eine Generation, die nie den Kommunismus erlebt hat, scheint dem Sozialismus gegenüber nicht mehr immun zu sein. Aber derweil erlebnt auch der rechte Autoritarismus einen Wiederaufstieg – wir finden ihn in den Parteien, die in Ungarn, der Türkei, den Philippinen und vielleicht Indien an der Macht sind; in dem Aufstieg von Politikern wie Marine Le Pen in Frankreich; und in dem Kult um Donald Trump in den Vereinigten Staaten, einschließlich seiner Begeisterung für ausländische Autokraten wie Putin und Orban. Ich denke, das ist die unmittelbarste Bedrohung für die Freiheit und den Liberalismus.

Brauchen wir Freiheit in den nächsten Jahrzehnten?

Freiheit brauchen wir immer! Für Wohlstand, für Frieden, für Menschenwürde und Glück.

Wenn Sie eine riesige Botschaft am Times Square platzieren könnten, was würde darauf stehen und warum?

Das Cato Institute hat bereits ein Schild am Times Square platziert. Siehe Seite 13 hier. Auf ihm waren unterschiedliche Botschaften zu lesen: „Es ist Zeit, dass unsere Regierung aufhört, . . . zu viel auszugeben, die Weltpolizei zu spielen, mit der Überregulierung, uns auszuspionieren.“ Ich würde es sogar mit „Steuern sind Raub“ probieren. Aber vielleicht würden wir mit etwas weniger radikalem wie „Fiskal konservativ und sozial konservativ? Mach mit!“ oder dem Slogan der Zeitschrift Reason „Freie Köpfe und freie Märkte“ mehr Menschen anziehen.

Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der gerade ins Berufsleben eintritt? Welchen Rat sollte er ignorieren?

Sei Dir darüber im Klaren, dass Du in der großartigsten Zeit in der Geschichte der Menschheit lebst, mit mehr Luxus und mehr Chancen als jemals zuvor. Und junge Absolventen haben heute eine höhere Lebenserwartung als jede Generation in unserer Geschichte. Du könntest nach deinem Studium leicht noch hundert Jahre leben, wenn Wissenschaft und Medizin so Fortschritte machen, wie ich es prognostiziere. Aber der Kampf um Freiheit und Wohlstand ist nicht vorbei und wird es nie sein. In jedem Land der Welt, in einigen mehr als in anderen, sind die Möglichkeiten und der Wohlstand durch Etatismus begrenzt. In vielen Ländern werden Frauen, Homosexuelle und ethnische oder religiöse Minderheiten immer noch unterdrückt und ausgeschlossen. Mache es zu einem Teil Deines Lebens, den Segen des Lebens, der Freiheit und des Strebens nach Glück zu verbreiten. Ignoriere all jene, die Dir sagen, dass Du durch Deine Rasse, Dein Geschlecht, Deine sexuelle Orientierung, Deine Geschlechtsidentität oder jedwede andere „Identitätsgruppe“ definiert wirst, und ignoriere auch all jene, die dich für politische Bewegungen rekrutieren möchten, die um Kultfiguren, Sündenbock-Denken, dem Fokus auf Feinde und Hass aufgebaut sind. Finde Freunde und versuche, die Freundschaft zu erhalten.

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2 Kommentare

Christoph Kohring 9. Februar 2023 - 16:51

Quod non est in English non est in mundo!

Do please make this interview available in English as well. Thank you in advance!

Antworten
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Max Molden 10. Februar 2023 - 12:46 Antworten

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