Liberty Interviews – Jan Schnellenbach

von Redaktion

Prof. Dr. Jan Schnellenbach ist Professor an der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Dort ist er Innerhaber des Lehrstuhls für VWL, insb. Mikroökonomie.

Was heißt Freiheit für Sie?

Freiheit als Abwesenheit von Zwang scheint mir immer noch das sinnvollste Freiheitsverständnis zu sein, denn je weniger ich gezwungen werde, Dinge zu tun oder zu unterlassen, desto mehr kann ich Autor meines eigenen Lebens sein. Zwang geht aber nicht nur vom Staatshandeln aus, sondern kann z.B. auch aus sozialem Druck entstehen. Freiheit setzt also auch einen gesellschaftlichen Grundkonsens voraus, nämlich: Leben und Leben lassen.

Welches Buch (oder Bücher) haben Sie bisher am meisten verschenkt? Oder, welche ein bis drei Bücher hatten den größten Einfluss auf Ihr Leben?

Drei Bücher: a) Isaiah Berlin, Freedom and Its Betrayal. Weil man über Freiheit vielleicht am meisten lernt, indem man Werke seziert, die Unfreiheit propagieren. b) Thomas Mann, An die gesittete Welt. Die nach Deutschland gesendeten BBC-Ansprachen Thomas Manns während des Zweiten Weltkriegs sind unglaublich kraftvolle, teils sprachlich grandiose Abrechnungen mit dem Nationalsozialismus. c) Italo Calvino, Der geteilte Visconte. Ein Roman, eigentlich ein Märchen, über das Menschsein an und für sich.

Was erwarten Sie in puncto Freiheit vom 21. Jahrhundert?

Wahrscheinlich wird es erstmal unfreier werden, bevor die Freiheit ein Comeback hat. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik scheinen viele Bürger sich einiges von einem größeren Staatssektor zu versprechen, und auch engherzige, kleingeistige Cancel Culture wird uns wohl noch eine Weile beschäftigen. Aber früher oder später werden die Leute merken, dass das nicht der Weg zum guten Leben ist. Dann wird der Zeitgeist wieder liberaler.

Wo sind für Sie die Grenzen der Freiheit? Wann muss Freiheit eingeschränkt werden?

Die populäre Antwort ist: Da wo meine Freiheit andere Menschen tangiert, wo es externe Effekte gibt. Aber das halte ich für Unsinn. Es gibt wenige bedeutsame externe Effekte, die man auch durch Freiheitseinschränkungen regulieren muss. Ansonsten tangieren wir Individuen uns in modernen Gesellschaften in unserer Freiheitsausübung permanent gegenseitig, und eine liberale Gesellschaft ist eine, die das toleriert und die das nötige Aushandeln so weit wie möglich den selbst Individuen überlässt.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Freiheit in den letzten 100 Jahren?

Wir haben in diesem Zeitraum wirklich alles gesehen, die großen totalitären Systeme, in denen individuelle Freiheit und Leben keinen Wert hatten, aber im Westen auch einen langen Trend der Liberalisierung unserer Gesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Irgendwann in den 2000er- oder 2010er-Jahren stoppte dieser Trend und es machte sich in Staat und Gesellschaft ein neues Spießertum breit, immer unter dem Banner von Gerechtigkeit und Sicherheit.

Wenn Sie eine riesige Botschaft am Brandenburger Tor platzieren könnten, was würde darauf stehen und warum?

„Life, liberty, and the pursuit of happiness“, weil es auf diese drei ankommt und die Leute irgendwann hoffentlich auch verstehen, dass sie dem Glück individuell nachjagen müssen, weil der Staat es ihnen nicht verschaffen wird.

Welchen Rat würden Sie einem klugen, motivierten Studenten geben, der gerade sein Studium abgeschlossen hat und in die Jobwelt eintritt? Welchen Rat würde Sie ihm raten zu ignorieren?

Einen klaren Kopf bewahren, eigensinnig bleiben ohne egozentrisch zu werden und um Lemmy Kilmister zu zitieren: von Idioten fern halten. 

Lieber eine freie, aber arme Gesellschaft oder eine prosperierende Diktatur?

Das ist eine sehr hypothetische Frage, weil in den allermeisten Fällen die freie Gesellschaft reich wird und die Diktatur irgendwann verarmt. Aber wenn es auf diese Wahl hinausläuft, dann lieber frei und arm. 

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