Ein Lieferkettengesetz bringt mehr Schaden als Nutzen

von Vincent Czyrnik

Der Kapitalismus ist die moderne Form des Kolonialismus, unser Wohlstand geht zu Kosten der Ärmsten der Welt, unser Egoismus beutet die Natur aus – die Anklageliste an die Marktwirtschaft ist lang. Um die vermeintlichen negativen Auswirkungen dieser Wirtschaftsform zu verhindern, soll ein neues Lieferkettengesetz erste Abhilfe schaffen.

Mit dem Lieferkettengesetz können Unternehmen künftig sanktioniert werden, wenn sie Menschenrechte missachten oder die Umwelt zerstören. Das bedeutet, dass Unternehmen entlang ihrer gesamten Lieferketten dafür sorgen müssen, nach unseren moralischen Standards zu produzieren. Die Befürworter des Gesetzes erhoffen sich dadurch, Ereignisse wie die folgenden zu verhindern:

  • 34 Arbeiter werden bei einem Streik in einer Platin-Mine in Südafrika erschossen. Die Mine ist Handelspartner von BASF.
  • 258 Näherinnen sterben durch einen Brand in einer Textilfabrik in Pakistan. Die Fabrik des Zulieferers von KiK wies mangelhaftem Brandschutz auf.
  • 270 Menschen ertrinken qualvoll in einer Mine in Brasilien, nachdem ein Damm bricht. Der Damm war kurz zuvor noch von TÜV Süd kontrolliert wurden

Unklar ist bislang, wie die Sanktionen für Unternehmen ausfallen sollen, die solche Ereignisse nicht verhindern. In den Niederlanden, wo bereits ein Gesetz gegen illegale Kinderarbeit in den Lieferketten von nationalen Unternehmen existiert, müssen die Unternehmen jährlich einen Prüfungsbericht erstellen. Dieser wird dann von den lokalen Behörden kontrolliert. Verstößt ein Unternehmen gegen das Gesetz, indem es Kinderarbeit in seiner Lieferkette dennoch zulässt, drohen Strafen von bis zu 750.000 Euro.

Ähnliches wäre auch in Deutschland zu erwarten. Allerdings fordert die Initiative Lieferkettengesetz mit Förderern wie Greenpeace, dem Deutschen Gewerkschaftsbund oder Brot für die Welt für Deutschland ein umfassenderes Gesetz als das in den Niederlanden. Das kann bedeuten, dass neben illegaler Kinderarbeit Unternehmen auch andere Menschenrechtsverletzungen sowie mangelhaften Umweltschutz ihrer Lieferketten recherchieren müssen.

Die Berichte der Unternehmen müssen wiederum von den deutschen Behörden kontrolliert werden. Diese Kontrollen sind für Unternehmen als auch für den Staat besonders teuer. Es stellt sich die Frage, wo die Unternehmen dieses Geld hernehmen würden. Befürworter des Gesetzes wünschen sich sicherlich, dass die Unternehmen schlichtweg ihre Profite dafür nutzen. Das wird höchstens kurzfristig der Fall sein. Vielmehr werden die Unternehmen im guten Fall die Kosten an die Konsumenten weitergeben, im schlechten Fall werden sie – das ist die Ironie der Geschichte – an den Lieferketten sparen.

Das heißt, dass die Unternehmen überall sparen, wo das Lieferkettengesetz nicht vollends greift. Der Staat wird damit reagieren, dass er einen noch umfassenderen Lieferkettenbericht fordert und stärkere Kontrollen einführt. Es wird so lange Hase und Igel gespielt, bis das Gesetz sowohl für Staat als auch für Unternehmen unbezahlbar wird. Für welchen Preis also wollen wir Kinderarbeit & Co. verhindern?

Wenn wir auf Kinderarbeit verzichten, bedeutet das, dass das Kind für seine Familie nicht mehr arbeiten kann. Warum aber arbeitet das Kind? Weil es mit seiner Arbeit für den Lebensunterhalt seiner Familie sorgt. Kinderarbeit in den betroffenen Länder zu verbieten, ist daher eine schwierige Angelegenheit. Der Familie kann nur ein Überleben garantiert werden, wenn zeitgleich die Löhne der erwachsenen Angehörigen steigen, damit diese dann den wegfallenden Lohn des Kindes kompensieren. 

Wie könnte man für steigende Löhne sorgen? Einige Befürworter des Lieferkettengesetz meinen, dass dort einfach Mindestlöhne eingeführt werden müssen. Doch fällt Wohlstand samt hoher Löhne nicht vom Himmel. Die Produktivität der Arbeiter ist entscheidend für ihre Löhne, und Mindestlöhne werden vor allem Arbeitslosigkeit verursachen. Arbeitslosigkeit bedeutet für die betroffenen Länder Hunger, Armut und Leid. Denn dort gibt es kein soziales Sicherungsnetz wie bei uns in Europa.

Höhere Löhne können nur nachhaltig garantiert werden, wenn in den betroffenen Ländern die Wirtschaft wächst. Der beste Nährboden für Wirtschaftswachstum ist eine freie Marktwirtschaft mit sicheren Institutionen. Nestlé & Co. können ein Land nur dann „ausbeuten“, wenn es der Rechtsstaat in den betroffenen Ländern zulässt. Entgegen der Vorstellung der Initiative Lieferkettengesetz lebt in einer Marktwirtschaft mit funktionierenden Institutionen niemand auf den Kosten anderer. Kapitalismus ist kein Nullsummenspiel, wie vielerorts vermutet wird. Daher sollten wir statt eines Lieferkettengesetz vielmehr Schwellen- und Entwicklungsländer helfen, eine sichere Gesetzeslage aufzubauen. Höhere Löhne würden zudem ein Verbot von Kinderarbeit obsolent machen. Die andernen Familienangehörigen würden genug verdienen, damit die Kinder statt zur Arbeit zur Schule gehen können.

Steigende Löhne in Entwicklungsländern bedeutent auch, dass die Produkte hierzulande teurer werden. Damit wir uns das leisten können, brauchen wir auch hier Wirtschaftswachstum. Ineffiziente Gesetze wie das Lieferkettengesetz bremsen die Marktwirtschaft und dadurch auch das Wirtschaftswachstum.

Kritiker der Marktwirtschaft vermuten nun, dass wir auf Kosten der Umwelt leben müssen, damit wir langfristiges Wirtschaftswachstum garantieren können. Dass diese Vermutung nicht der Fall ist, beweist Andrew McAfee in seinem Buch More from Less. Er zeigt darin auf, wie sich Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt hat. Seit 40 Jahren schaffen wir es, mehr zu konsumieren und dabei immer weniger Ressourcen zu verbrauchen. Das beste Beispiel dafür ist das Smartphone, welches Dutzende Geräte wie Kompass, Kamera, Barometer, Höhenmesser, Beschleunigungsmesser, GPS-Gerät, Diktiergerät etc. überflüssig macht und dadurch wertvolle Ressourcen einspart.

Die Befürworter des Lieferkettengesetz fördern Kapitalismuskritik und Verbotskultur – zwei Grundsätze, die Kinderarbeit und Hungerlöhne nicht verhindern, sondern gar fördern. Ein anstehendes Lieferkettengesetz unterschlägt die Tatsache, dass Unternehmen bereits einer wichtigen Verantwortung in Entwicklungs- und Schwellenländern nachkommen, indem sie Wirtschaftswachstum fördern. Ein geplantes Lieferkettengesetz wird den Menschen, denen wir eigentlich helfen wollen, mehr schaden als nutzen.

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1 Kommentare

dameierhuber 10. Oktober 2021 - 15:48

Wer hat denn den Bericht bezahlt

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