Freiheit in der Krise

von Paulina Plinke

Schon seit Jahrhunderten und Jahrtausenden streben Philosophen rund um den Globus nach der Erkenntnis über den Sinn des Lebens. Und spätestens seit dem Zeitalter der Aufklärung ist auch der gewöhnliche Bürger unter dem Leitspruch „Sapere aude!“, was frei übersetzt bedeutet „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, angehalten, sich seine eigenen und individuellen Gedanken zu machen, um eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu finden.

In diesem Kontext fallen oftmals Begriffe wie „Glück“ und „Freiheit“ – beides abstrakte Nomen, deren exakte Bedeutung sich schwer erfassen lässt, da jeder Mensch sie anders versteht. Glück ist gemeinhin definiert als Erfüllung menschlichen Wünschens und Strebens und somit sehr vielschichtig, da jeder Mensch andere Vorstellungen von den Inhalten eines erfüllten Lebens hat.

Freiheit lässt sich womöglich sogar noch schwieriger definieren, auch da es unterschiedliche Arten von Freiheit gibt. Allgemein benennt Freiheit einen Zustand der Autonomie eines Subjekts. Das heißt, dass Menschen unabhängig von persönlichen oder gesellschaftlichen, als Zwang oder Last empfundenen Bindungen oder Verpflichtungen zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auswählen können, sich in ihren Entscheidungen also nicht eingeschränkt fühlen. Bei dieser Definition ist zu beachten, dass ein sich nicht eingeschränkt fühlen nicht gleichbedeutend ist mit nicht eingeschränkt sein, beispielsweise durch Gesetze oder Verordnungen. Zudem gibt es zwei verschiedene Arten von Freiheiten: Positive (Freiheit zu etwas) und negative (Freiheit von etwas). Im Grundgesetz verankert sind unter anderem die Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Absatz 1) sowie die Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1).

Im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die bereits seit März 2020 eine weltweite Bedrohung darstellt, wurden viele Freiheiten und Grundrechte drastisch eingeschränkt. Innerhalb weniger Wochen veränderte sich unser gesamtes Alltagsleben – es ist mittlerweile selbstverständlich geworden, nur mit Maske einkaufen zu gehen und einen Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen Personen einzuhalten. Und es ist leider auch selbstverständlich geworden, dass der Staat uns nach Belieben Vorschriften machen kann, die unvereinbar mit unseren Grundrechten sind, sofern dies dem „Wohle der Allgemeinheit“ und insbesondere dem Schutz von Risikogruppen dient.

Gleichwohl wird bei den Entscheidungen über Verlängerungen und Verschärfungen von Lockdowns oft nicht bedacht, dass Tote durch das Corona-Virus nicht die einzigen Opfer der Pandemie sind. Viele Menschen leiden in der Isolation unter Einsamkeit. Personen, die mit einer Sucht, Essstörung oder Depressionen kämpfen, haben es erheblich schwerer als es unter normalen Umständen schon der Fall ist. Und neben all diesen Menschen leiden auch unsere Freiheitsrechte erheblich: Zeitweise gab es in Deutschland Regeln, die einen Bewegungsradius von maximal 15 Kilometern für Personen in Hochrisikogebieten erlaubten – Ziel dessen war eine Minimierung der Mobilität zur Eindämmung des Infektionsgeschehens. Später gab es entgegen der vormaligen Aussage des Bundesgesundheitsministers („Keine Sonderrechte für Geimpfte“) Erleichterungen für Geimpfte und Genesene – sie waren im Mai 2021 von der im Rahmen der „Notbremse“ geltenden bundesweiten nächtlichen Ausgangssperre von 22 Uhr abends bis 5 Uhr morgens ausgenommen und hatten keine Kontaktbeschränkungen hinsichtlich Anzahl der Personen und Haushalte zu beachten.

Alles in allem bedingten Haltung und Handlung der verantwortlichen Personen vielfach einen Vertrauensverlust in die Politik und auch in die Zukunft. Aus aktuellen Studien geht hervor, dass etwa die Hälfte der Befragten ihre Sorge, dass Freiheitsrechte längerfristig eingeschränkt bleiben, als groß oder sehr groß bezeichnen. Kein Wunder in Anbetracht dessen, dass es innerhalb weniger Wochen möglich wurde, unsere vorher als unantastbar geltenden Grundrechte auszuhebeln. Zudem litten unter den (oder während der) Lockdowns besonders die Freiheiten, die dem Großteil der Menschen am wichtigsten sind: Meinungsfreiheit, körperliche Freiheit und Bewegungsfreiheit. Ja, auch die Meinungsfreiheit hat, ob es nun beabsichtigt war oder nicht, unter den strengen Maßnahmen gelitten. Denn auch wenn zu keinem Zeitpunkt eine offizielle staatliche Zensur stattgefunden hat, wurden sehr wohl Leute mundtot gemacht. Es hat sich eine regelrechte Cancel Culture entwickelt, durch die selbst Leute, die vollkommen berechtigte Kritik an den Maßnahmen geäußert hatten, umgehend in eine Schublade mit Querdenkern, Aluhutträgern und allerlei anderen Verschwörungstheoretikern gesteckt wurden.

Darüber hinaus hat sich auch die Pressefreiheit in Deutschland während der Corona-Pandemie beachtlich verschlechtert: Laut Reporter ohne Grenzen hat die Gewalt gegen Medienschaffende eine hierzulande „nie dagewesene Dimension“ erreicht, weshalb die Menschenrechtsorganisation die Situation in Deutschland nur „als ,zufriedenstellend‘ einstuft und nicht mehr als ,gut‘ “, wie in es in den Vorjahren stets der Fall war. Die Corona-Pandemie bedroht aber nicht nur in Deutschland, sondern weltweit massiv die Freiheitsrechte. Dies zeigt auch der Atlas der Zivilgesellschaft 2021 des Hilfswerks „Brot für die Welt“ und der internationalen Non-Profit-Organisation Civicus: „Das Jahr 2020 hat gezeigt, wie schnell Freiheitsrechte ausgehebelt werden können. Wer sich für Menschenrechte oder Umweltschutz engagiert, muss mit Unterdrückung rechnen – oft befeuert von höchsten staatlichen Stellen.“ Und auch die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik stellt fest, dass autoritäre Staaten in der Krise noch autoritärer werden – davor warnte die Konrad-Adenauer-Stiftung ebenfalls bereits vor einiger Zeit.

Ist es im Hinblick auf diese beunruhigenden Entwicklungen also überhaupt dystopisch zu sagen, dass die Welt nach Corona eine unfreiere sein wird als davor – oder ist es lediglich eine realistische Einschätzung? Eine ernstzunehmende Befürchtung ist es allemal, und vor allem ein höchst besorgniserregender Gedanke für mich – denn ich kann nicht glücklich sein, wenn ich nicht frei bin, und ich denke ich bin mitnichten die Einzige, der es so geht. Natürlich war mir schon vor der Corona-Pandemie bewusst, wie wichtig Freiheit für mich ist: Sie ist neben glücklich sein der höchste Wert im Leben, den ich zu erreichen strebe. Aber vieles lernt der Mensch erst dann richtig zu schätzen, wenn er es nicht mehr hat – so eben auch die Freiheit. Durch die Krise ist mir wahrhaft deutlich vor Augen geführt worden, wie elementar Freiheit für ein menschliches Leben ist. Durch die Krise habe ich gelernt, wie wertvoll Freiheit ist und vor allem, dass sie nicht selbstverständlich ist. Durch die Krise habe ich mir intensiver denn je Gedanken darüber gemacht, was Freiheit in meinen Augen und in unserer heutigen Welt bedeutet.

Freiheit ist für mich der Inbegriff eines menschenwürdigen Lebens. Freiheit ist die Möglichkeit, auszuleben wer wir sind, solange wir damit niemandem schaden. Freiheit ist Unabhängigkeit und Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Freiheit ist Spontaneität und Kreativität und Schöpfergeist. Freiheit ist ein Recht und eine Aufgabe. Freiheit ist der Weg und das Ziel. Freiheit ist so viel und ohne Freiheit ist alles nichts. In diesem Sinne ist „Give me Liberty, or give me Death!“ aus meiner Sicht ein beim Wort zu nehmender Ausspruch, denn ohne Freiheit ist zwar eine Existenz, ein Überleben, möglich, nicht aber ein Leben wie es sein sollte. Freiheit ist – und das hat die Corona-Pandemie nur allzu deutlich gezeigt – die Grundvoraussetzung für ein glückliches Leben. Aus diesem Grund müssen wir für unsere Freiheit kämpfen, hier und überall auf der Welt.

Dieser Artikel erschien zuerst im Print-Magazin. Er spiegelt die Meinung des Autors, nicht notwendigerweise jene der Organisation wider. Dieser Blog bietet die Plattform für unterschiedliche liberale Ideen. Du möchtest auch einen Artikel beisteuern? Schreib uns einfach eine Mail: redaktion@derfreydenker.de!

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