Die Krise der Konservativen

von Juan De Dios Estevez

In den letzten Wochen hatten Konservative in Westeuropa wenig zu feiern. Aber wie sollte eine konservative Partei in Europa aussehen? Juan D. Estevez findet Antworten in den westlichen Traditionen, im Individualismus und einem klar beschränkten Staat.

In den letzten Wochen hatten Konservative in Westeuropa wenig zu feiern. Nach 16 Jahren als Kanzlerin trat Angela Merkel im September nicht zur Wiederwahl an. Ihr Nachfolger, Armin Laschet, holte das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Union. Das Ergebnis schmerzt die CDU und ihre Schwesterpartei CSU sehr. Aber was noch mehr schmerzt ist der Fakt, dass die Union nicht mal der nächsten Regierung angehören wird – so, wie die Sondierungen aussehen. Währenddessen trat in Österreich der nunmehrige Ex-Kanzler Sebastian Kurz nach Korruptionsvorwürfen zurück. Es ist nicht allzu lange her, dass Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der EVP im Europaparlament, der Zeitung Die Presse sagte, dass Konservativen in Europa „Sebastians Weg“ gehen sollten. Nun erlebt das sogenannte Wunderkind Kurz seine zweite Regierungskrise. Fazit: innerhalb kürzester Zeit verloren die westeuropäischen Konservativen zwei ihrer wichtigsten Persönlichkeiten: Dr. Merkel und Kurz.

Auf EU-Ebene sieht die Situation für die Konservativen nicht besser aus. Mittlerweile hat die EVP nur noch 7 von 27 Sitzen beim Europäischen Rat – ein All-Time-Low. In Deutschland wird bereits heiß über die neue Ausrichtung der Union diskutiert, über ihre Restrukturierung und Neubesetzung.  Viele Stimmen, vor allem aus den Reihen der Jungen Union, wünschen sich einen härteren rechten Kurs. Einige wollen zu konservativen Prinzipien zurückkehren, andere möchten ein weiter-so probieren. Die Union muss sich neu denken. Aber wie sollte eine konservative Partei in Europa aussehen?

Vor einem Jahr schrieb ich bereits über die Notwendigkeit eines mutigen Konservatismus in Europa. So wie Weber erwähnte ich den Kurs von Kurz als den richtigen Weg. Mit seinem Fall stellt sich die Frage, wohin Konservativen nun steuern sollen. Schritt eins ist es, die Illusion der Mitte zu verlassen. Die nichts-sagende Aussage „Wir sind die Mitte“ ist nur eine – mittlerweile sehr – langweilige Ausrede, um sich weiter hinter ideologielosen Positionen zu verstecken. Ich kann innerhalb ein paar Sekunden aufzählen wofür die Grünen stehen. Ihre Positionen und Ideologie sind klar definiert. Bei der Union kann ich das im Gegensatz nicht tun.

Konservative Parteien sollten sich klar zu unseren westlichen Traditionen und Institutionen bekennen. Dazu gehört zweifellos der Individualismus. Populistische Politiker wie Viktor Orbán meinen, sie würden unsere christlichen und westlichen Prinzipien verteidigen, unterdrücken jedoch diverse Freiheiten daheim und verkaufen ihre Länder durch die Hintertür an China. Unsere Prinzipien, mit denen wir die liberalen Demokratien hart erarbeitet haben, kann man nicht selektiv auswählen. Daher sollten Konservative auch konsequent die Bedeutung und das Primat des Individuums bekräftigen. Während manche Republikaner in den USA und Conservatives in der UK ständig betonen, wie wichtig Eigenverantwortung und Unabhängigkeit sind, loben europäische Konservative die Rolle des Staates. Unser Wohlstand und Fortschritt kamen aber nicht vom Staat, sondern von den Individuen. Konservative sollten sich als Bewahrer diese Prinzipien sehen und sich nicht von populistischen Trends beeinflussen lassen. Es geht darum, dass unsere bestehenden Institutionen, die über Generationen entstanden sind, sich weiterentwickeln können. Weder Grüne noch Rechts-Populisten sollten ein Vorbild für europäische Konservative sein.

Konservative sollten nicht den Staat als die Lösung unserer Probleme sehen, sondern sollten auf die Gesellschaft setzen, auf unsere individualistischen Werte. Der Staat kann diese Werten nicht von oben herab einführen. Diese entstehen schließlich aus der Gesellschaft heraus – die eben aus Individuen besteht.

Der Konservative mag denken, dass der Staat eingreifen muss, um Prinzipien zu bewahren. Dass ohne das ständige Eingreifen des Staates unsere westlichen Werte in Vergessenheit geraten könnten – das ist falsch. Nur wenn das Individuum selbst lernt, wie wichtig diese Werten sind, dann wird es diese selbst verteidigen. Und nur diese Verteidigung hat Erfolgschancen. Überlassen wir diese Aufgaben nur dem Staat, dann geben wir uns einem schleichenden Untergang hin. In einer Welt, in der alles sich andauernd ändert, sollen unsere Werte als ein roter Faden für das Individuum dienen – als Säule, auf die unsere Gesellschaft aufbaut und sich verbessert. Versucht der Staat, alle moralischen Prinzipien bereitzustellen oder ersetzt er harte Arbeit mit übertriebener Umverteilung, dann verstärkt er nicht unsere Gesellschaft, sondern kreiert Individuen, die vom Staat abhängig sind. Wenn man nicht gelernt hat, was Freiheit bedeutet, dann wird man diese auch nicht verteidigen können, wenn sie in Gefahr gerät.

Dieser Weg, der dem von Thatcher und Reagan ähnelt, könnte für die europäischen Konservativen funktionieren. Allein in Spanien erlebt die Partido Popular eine Wiedergeburt in den Händen von Isabel Díaz Ayuso – die Präsidentin der Autonomen Gemeinschaft Madrids wurde vor einigen Tagen zur Lady Liberty von The Economist gekürt. Sebastian Kurz kämpft um sein politisches Überleben. Der, der einmal die Hoffnung der Konservativen war, ist keinen Deut besser als die „Altpolitiker“ – eher im Gegenteil.Möchte man etwas erneuern, dann sollte man nicht House of Cards spielen wollen. Weder Kurz noch Orbán sollten Beispiele sein, denen man folgt. Konservative sollen einen Weg der Eigenverantwortung, des begrenzten Staates und der Bewahrung unsere Werten folgen. Dabei soll der Staat nur Schiedsrichter sein, aber kein Mitspieler. Der Staat soll nur die Rahmenbedingungen gewährleisten, den Rest besorgen wir Individuen. Wollen die Konservativen wieder an Einfluss gewinnen, dann müssen sie die Gesellschaft von unten bewegen, denn von oben gibt es wenig zu gewinnen. Ein Blick nach England unter David Cameron wäre ein Anfang, oder John McCain in der USA – oder eben nach Spanien, wo die Konservativen scheinbar die geheime Formel für ein Comeback gefunden haben.

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