Ein Jahr Corona-Krise: Gibt es noch Hoffnung für die Freiheit?

von Paulina Plinke

Seit mittlerweile nun schon über einem Jahr hält Corona die Welt im Bann. Mit dem wachsenden Infektionsgeschehen werden auch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie verschärft. Nach und nach haben wir uns als Gesellschaft an die “neue Normalität“ gewöhnt – mit Masken, Ausgangssperren und Bewegungsradien. Was vor wenigen Monaten noch undenkbar schien, ist heute Realität. Zum Schutz von Risikogruppen akzeptieren wir, dass unsere vormals unantastbaren Grundrechte ausgehebelt werden, und man beschönigt dies nicht einmal. So heißt es beispielsweise in der Berliner SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 06.01.2021: „Durch diese Verordnung werden die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt.“ Eine Aussage, die dort schwarz auf weiß ohne weitere Rechtfertigung steht, die wir einfach hinnehmen müssen, wir haben keine Wahl.

Sätze wie dieser hätten früher für einen Aufschrei gesorgt, doch heute sind solche gravierenden Einschränkungen notwendig, um die physische Gesundheit eines Großteils der Bevölkerung zu schützen. Aber was ist mit der psychischen Gesundheit vieler, insbesondere junger, Menschen? Diese scheint nur sekundär wichtig zu sein. Die Corona-Krise stellt uns in vielerlei Hinsicht auf die Probe, und ebenso unsere Wertvorstellungen. Die Frage ist, welche Prioritäten wir setzen: Halten wir uns an die drastischen Maßnahmen, obwohl wir sie nicht vollkommen befürworten, oder widersetzen wir uns dem Staat und riskieren dabei, unbeteiligte Dritte der Gefahr einer möglichen Ansteckung auszusetzen? Derartige Entscheidungen sind nicht leicht zu treffen und fordern eine aktive Auseinandersetzung mit unserem Innersten. Welche Überzeugungen sind für mich so elementar, dass sie über allem anderen stehen? Der Mensch erkennt oftmals erst, wie wichtig ihm etwas ist, wenn er es verloren hat. Natürlich war mir schon vor langer Zeit bewusst, dass Freiheit für mich persönlich einer der zwei höchsten Werte ist, die ich in meinem Leben erreichen will. Aber die Pandemie hat mir gezeigt, dass ich ohne frei zu sein auf Dauer wirklich nicht leben kann.

Während ich im Juni letzten Jahres für optimistischen Realismus plädierte, sehe ich mich nun selbst zunehmend pessimistischer werden. Dass die Welt nach der Corona-Krise eine andere sein würde, war bereits nach wenigen Wochen klar, als das Virus nach Europa gelangte. Doch es zeichnet sich immer mehr ab, dass diese Welt nicht die Welt vor Corona plus erfolgreiche Digitalisierung Deutschlands sein wird, sondern vielmehr eine gänzlich andere. Ist es dystopisch zu sagen, dass die Welt nach Corona eine unfreiere sein wird als davor? Dass es wohl kaum ein “nach Corona“ geben wird, sondern wir lernen müssen, weiterhin mit Corona zu leben? Dass es normal sein wird, nur noch mit Maske vor die eigene Haustür zu gehen? Dass wir uns daran gewöhnen werden, fremde Leute nicht mehr lächeln zu sehen, Bekannte nicht mit einem Handschlag zu begrüßen, 1,5 m Sicherheitsabstand zu anderen Personen zu halten? Ja, vielleicht ist es dystopisch – vielleicht aber auch nur die unausweichliche Realität, die sich nicht leugnen lässt. All diese Dinge liegen außerhalb des Einflussbereichs des Einzelnen. Dieses Gefühl von totaler Machtlosigkeit macht mir Angst.

Wie so viele will ich meine Freiheit wiederhaben; ich brauche sie, um glücklich sein zu können. Was gibt es also Positives in all der Negativität um uns herum? Zumindest das: Ich werde meine Freiheit mehr zu schätzen wissen, sobald ich sie wiederhabe. Ich weiß nun, dass Freiheit selbst in einem demokratischen Land wie Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist. Ich freue mich darauf, wieder Ein-Tages-Ausflüge in andere Städte zu machen, die Nächte in Hotels zu schlafen und Urlaubsflüge in ferne Länder zu buchen. Ich freue mich darauf, wenn ich wieder in Gruppen weggehen oder die lauen Sommerabende mit Freunden und ein paar Bier am Ufer eines idyllischen kleinen Sees ausklingen lassen kann. Und ich freue mich darauf, wenn ich wieder all die Sachen machen kann, die vorher uneingeschränkt möglich waren und durch die ich mich lebendig fühle. Das ist der Grund, warum ich mich jetzt einschränken lasse – damit ich bald wieder frei bin. Diese Hoffnung treibt mich voran.

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